Kolumn

Reflexe

Aus der Psychologie wissen wir, dass Reflexe so zu sagen unkontrollierte Handlungen auf einen Reiz sind.

In den letzten Tagen erlebe ich in der Branche ein Massensyndrom auf einen gezielten Reiz. Aber alles der Reihe nach.

Ein Professor für Ökologie einer renommierten Universität für Landwirtschaft hat ein neues Buch geschrieben. Darin handelt er seine Sicht im Umgang mit Pflanzenschutzmitteln ab. Ein Buch entsteht nicht nur deshalb, damit man es drucken kann, es soll ja auch verkauft werden. Ein genialer Marketingstratege hat ihm anscheinend geraten, das Buch genau so zu präsentieren, dass es die Nervenzentralen der Pflanzenschutzanwender trifft. Mit einem kurzen Bericht und einem dreiminütigem Interview im Fernsehen und Artikeln in der Tagespresse ist die Initialzündung gelungen.

Ich war mit einer Gruppe hochrangiger Obstbaufunktionäre unterwegs. Unmittelbar nach der Ausstrahlung läuteten fast im Minutentakt die Telefone und erboste Obst- und Gemüsebauern riefen an, tobten teilweise und beschwerten sich, dass man nicht zusehen kann, wie man einen ganzen Berufsstand verunglimpft. Kammerpräsidenten und sogar die Ministerin wurden unmittelbar danach bemüht.

 Mehrere aufgebrachte Bäuerinnen und Bauern forderten in dieser gereizten  Stimmung sogar, dass es jetzt an der Zeit sei, den biologischen Landbau endlich auch in die Pfanne zu hauen, da dies ansonsten nie aufhöre.

Eine fatale Verkennung der Situation. Wenn Spitzenfunktionäre darauf eingestiegen wären, wäre es darauf hinausgelaufen, dass sich Biolandwirtschaft und konventionelle Landwirtschaft öffentlich einen Schlagabtausch geliefert hätten, sehr zum Wohlgefallen des Buchautors. Er hätte allen ernstes die in die Luft geschleuderten Argumente der beiden Seiten selbst gar nicht so genau und umfassend erklären können und außerdem hätte er eine perfekte Bühne erhalten für die weitere Präsentation seines Buches.

Was unbedachte Reflexe und die daraus entstehenden Massensyndrome bewirken können, konnte in der Expertenrunde aus dem aktuellen Anlass heraus besser erörtert werden als in jedem geplanten Workshop zu diesem Thema.

Pflanzenschutz ist immer ein Reizthema im Pflanzenbau. Wenn Pflanzenbauer laufend und immer wieder auf Anschuldigungen von außen ihre bisherigen Praktiken im Pflanzenschutz öffentlich rechtfertigen müssen, dann kann beim Konsumenten das Gefühl aufkommen, dass da doch Unsicherheit dabei ist, da die Reaktionen so emotional ausfallen. Ansonsten müsste es ausreichen, wenn Pflanzenbauern von sich selbst, ohne Reiz von außen und ohne Massensyndrom ihre Arbeit erklären können.

Fritz Prem