Kolumn

Bauernproteste

Die radikalen Proteste französischer Bauern sind Legende. Sie fackeln nach einer kräftigen Steuererhöhung unter großem Medienecho ein regionales Finanzamt ab. Oder sie machen mit einigen Kanistern Benzin ganze LKW-Züge mit Milch ungenießbar, wenn zB ein großer Kunde gerade diese Milch importiert, um den heimischen Milchlieferanten den Preis zu brechen.

Hinter jeder Aggression steckt eine Not. Dies ist eine Weisheit, die man auch in jedem Kommunikationsseminar lernt. Momentan läuft wieder eine Welle an Bauernprotesten an, die  in den niedrigen Produzentenpreisen ihre Ursache hat.

Ich lade sie ein, mir in einer fiktiven Geschichte zu folgen. Sie ist frei erfunden und etwaige Ähnlichkeiten mit einer realen Situation sind rein zufällig. 

In einem entfernten Land hat sich die Handelsstruktur für Lebensmittel langsam aber sukzessive konzentriert. Ein Nachfrageoligopol versorgt die Bevölkerung mit Nahrungsmitteln.  Viele Zulieferer und Produzenten liefern ihre Produkte an die Grossisten. Die Direktoren der Grossisten erklären immer aufs Neue, wie wichtig ihnen die regionalen Lieferanten sind.

Dahinter sind bei jedem Grossisten Zentraleinkäufer, die von der ganzen Schar der Anbieter das beste Produkt zum besten Preis auswählen. Sie folgen ihrem Instinkt und pflegen bei allem Wettbewerb das Grundprinzip von „Leben und leben lassen“.

Plötzlich kommt ein neuer Zentraleinkäufer bei einem Unternehmen, der die Sterne vom Himmel holen will. Er presst mit seiner Macht die Lieferanten aus und hat damit ein günstiges Produkt in der Hand. Mit Hilfe von aggressiven Verkaufspreisen hofft er Marktanteile dazu zu gewinnen. Die übrigen Mitbewerber können nicht tatenlos zusehen und folgen wie Lemminge diesem Beispiel. Die Lieferanten werden ausgelutscht und ein Teil verliert seine Existenz.

In dieser Not und Verzweiflung gehen die Lieferanten auf die Straße. Da dies nicht fruchtet, werden sie gegenüber Einrichtungen  des Nachfrageoligopols gewalttätig, um auf Ihre Not hin zu weisen. Dagegen geht man mit einer Klageflut und rechtlichen Schritten vor. Daraufhin lassen sich die Lieferanten hinreißen und fackeln das Gartenhäuschen hinter dem privaten Wohnhaus des Generaldirektors ab, obwohl dieser in seinen Aussendungen immer die Kooperation mit den regionalen Lieferanten hervorhob. Danach stehen dessen Frau und die Kinder fassungslos und verängstigt vor der Asche und entwickeln Hass gegen den Mob von der Straße.

An dieser Stelle möchte ich sie von diesem Albtraum aufwecken. Es ist bei uns kaum etwas in diese Richtung passiert. Obwohl im Milchbereich zB ein großer Diskonter nach der Freigabe der Milchqouten als erster die Lieferanten ausgequetscht hat und den Verkaufspreis im Geschäft halbiert hat. Aber sie können trotzdem getrost auf die Straße gehen, auch das Gartenhäuschen vom Generaldirektor steht noch unversehrt da…

Prem 36/2015