Kolumn

Selbstversorgungsgrad

Es liegt im Zeitgeist, regionale Produkte zu kaufen und dies auch seinen Freunden und Bekannten mit zu teilen. Man gehört damit zu den Trendsettern.

Wenn wir aber diesen Zeitgeist näher ansehen, dann werden wir erkennen, dass effizienter Handel und qualifizierte Logistikdienstleistungen über weitere Strecken hinweg immer nötiger werden.

Wenn wir den Selbstversorgungsgrad in unserer Branche betrachten, dann stimmt es wohl, dass zB bei Äpfeln in der Region mehr produziert wird als verbraucht. Wenn wir aber das Obst als Gesamtgruppe betrachten, dann sind wir bei etwa 60% angekommen. In Mitteleuropa wächst keine Banane, keine Zitrusfrucht, keine starken Exoten wie Mango, Ananas oder Avocados.

Somit sind ein Warenaustausch und die dazugehörige Dienstleistung notwendig. Diese liefert der Obst- und Gemüsehandel.

Bedenklich sind aber in diesem Bereich Entwicklungen, wo Früchte, die vor der Haustüre wachsen könnten, um die halbe Welt transportiert werden. Damit wird zusätzlicher, aber billiger Transport gefördert und niedrige Sozialstandards werden ohne „Grenzkontrollen“ in andere Länder exportiert.

Den Selbstversorgungsgrad kann man in einem noch größeren Rahmen betrachten. Österreich importiert eine Sojaernte, die von 250.000 Hektar geerntet wird, um seine Veredlungswirtschaft zu versorgen. Der Selbstversorgungsgrad lag hier beinahe bei null. Erst jetzt regen sich die ersten Geister, ob dies vielleicht volkswirtschaftlich doch nicht ganz so richtig war. Man könnte diese Betrachtungen unendlich weiterspielen.

Regionalität und ein möglichst hoher Selbstversorgungsgrad sind nicht nur im Zeitgeist, sondern auch volkswirtschaftlich gut. Aber man soll bei den Betrachtungen nicht das Augenmaß verlieren.

Zurückkommend auf unsere Branche ist ein gesunder Handel doch die sicherste Möglichkeit, den Wohlstand einer Gesellschaft zu dokumentieren und zu sichern.

Wenn jetzt weltweit große Handelsabkommen für große Wirtschaftsräume in Diskussion oder Umsetzung sind, so sind die begleitenden Ängste mindestens ebenso groß. Dies ist logisch. Produzenten und Großhändler sehen ihren regionalen Handel mit Produkten aus der Region gefährdet. Die Begleitmusik von globalen Handelsabkommen ist oft mit Interessen von unpersönlichen Konzernen begleitet, die nationale Gesetze über diese Hintertür aus zu hebeln versuchen. Darin liegt die größte Angst. Wenn sichergestellt ist, dass dies nicht passiert, wird auch ein regionaler Händler seinen Wert beibehalten und seine Aufgabe gewinnbringend weiterführen können.

Prem 18/2015