Kolumn

Staatsanwalt

Es beginnt sehr oft mit Kleinigkeiten. Schon im Elternhaus wird in kleinen Schritten versucht, wo die Grenzen sind. Wenn man Eltern hat, die erforderliche Grenzen sehr unscharf ziehen und große Grauzonen des Erlaubten offen lassen, dann hat es von Anfang an einen Reiz, die Grenze zwischen Erlaubtem und Unerlaubtem aus zu reizen. Wenn in der Pubertät Jugendliche keinen Antrieb haben, um Grenzen vollends aus zu reizen, dann werden sie später nie zu neuen Ufern aufbrechen. Soweit der Soziologe.

Dem Handelsgeschäft wird sehr oft nachgesagt, dass Grauzonen im Geschäft ganz einfach ausgereizt werden. Wie kommt es dazu? Es beginnt ganz klein. Wenn es funktioniert, nimmt dieses Modell zunehmend an Volumen an.

So auch bei der Vermischung der Apfelherkünfte in der letzten Saison. Als Beispiel: ein LKW billige nichtösterreichische Äpfel, nach zwei Mal umpacken in den gewohnten Warenkreislauf einschleusen, eine Stunde zusätzlichen Mut und netto viertausend Euro  in der Tasche, so läuft das Modell. Wenn es nur bei dem einen LKW geblieben wäre, so könnte man dies womöglich noch als Mutprobe oder Kavaliersdelikt durchgehen lassen. Weil es aber so einfach war und die zuständige Behörde Vorderhand kein Instrument einer effizienten Kontrolle hatte, ist aus einem LKW eben wesentlich mehr geworden.

Die Mühlen des Gesetzes mahlen langsam, aber sie mahlen. So auch für den einen oder anderen „mutigen“ Händler. Dies alles ist nach zu lesen in den Gerichtsprotokollen, da in einer Demokratie derartige Verhandlungen öffentlich sind. Für laufende Verfahren gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung.

Wie geht die Branche damit um? Eigentlich ein wenig eigenartig. Der Ball wird flach gehalten, man will keinen öffentlichen Skandal. Fehlhandlungen einzelner werfen anscheinend doch auf die ganze Branche ein fahles Licht. Fast jeder in der Branche vermutete derartige Handlungsweisen, doch den viel zitierten „rauchenden Colt“ hat keiner der Kollegen schwarz auf weiß gesehen.

Die Kunden reagierten auch ein wenig eigenartig. Als sie Wind davon bekamen, haben sie den einen oder anderen Händler mit einer Liefersperre belegt. Die neue Saison hat nach dem Motto begonnen: ein neues Spiel – eine neue Chance. Wenn es wiederum ein besonders billiges Angebot von einem Händler gibt, dann greift man einfach zu.

Gestern war gestern – heute ist heute, so tickt anscheinend die Branche.

Fritz Prem