Kolumn

Lust oder Angst

Sie kennen wahrscheinlich beide Gefühlszustände und wissen, dass sie Triebfedern unseres unterschiedlichen Handelns sind. Besonders deutlich bewusst wurde mir dies in den letzten zwei Wochen als Gruppenverhalten von ganzen Branchen.

Die Biobranche im Lebensmittelbereich wächst unaufhörlich weiter. Die Zugänge aus der Biobranche heraus sind aber sehr unterschiedlich gestrickt.

Zuerst war ich auf einer hochrangigen Veranstaltung, wo über die Entwicklung und den Vertrieb von Bio-Molkereiprodukten beraten wurde. Der Grundtenor war, dass es eine große Gefahr ist, wenn der Biosektor im Milchbereich zu schnell wächst. Einhellig war die Überzeugung, dass die Bio-Entwicklung im Molkereibereich ganz anders zu betrachten sei.

Der thematische Szenenwechsel könnte stärker nicht sein: Die Generalversammlung vom Europäischen Bioobst Forum, wo ein erstes gegenseitiges Wahrnehmen statt fand, wie groß die Ernteerwartung 2018 bei Bioäpfeln und Biobirnen in Europa sein wird.

Es gabt nach Frostjahren im heurigen Frühjahr eine Vollblüte. Durch das trockene Wetter während der Blühtage gab es einen stärkeren natürlichen Blüten- und Fruchtfall. Es wird moderate Mengensteigerungen durch zusätzliche Umstellungsflächen geben. Dies beeinflusste die Grundstimmung nur am Rande.

Vielmehr war zu spüren, dass der gesamte Vertrieb von Bioäpfeln in Europa nach den Ausfallsjahren regelrecht hungrig danach ist, endlich wieder Ware zur Verfügung zu haben. Kommende Saison kann man Kundenwünsche wieder weitgehend erfüllen, ohne sich rechtfertigen zu müssen, dass Naturereignisse die Angebotsmenge eingeschränkt haben.

Endlich gibt es wieder Bio-Verarbeitungsware aus vertrauenswürdigen Quellen, man kommt nicht in Versuchung sich bei dubiosen Glücksrittern zu bedienen.

So groß kann der Unterschied zwischen zwei nahe verwandten Branchen sein. Der Zufall hat ergeben, dass wir diesen Unterschied zeitnah in einer Gesprächsrunde mit führenden Marketingexpertinnen und Experten reflektieren konnten. Mehrere Gründe wurden plausibel erklärt.

Der für mich einleuchtende Grund ist, dass in der einen Branche fast ausschließlich ein und die selben Verkäufer konventionelle und Bio-Produkte gleichzeitig verkaufen. Sie haben die Sorge, dass mit einem Ansteigen des Biosegmentes ihre herkömmliche Grundlage eingeschränkt wird. Sie sind ja der (konventionellen) Mehrheit ihres Firmeneigentümers verantwortlich.

In der anderen Branche ist der Vertrieb meist wo anders als bei den tradierten Pfaden angesiedelt. Daher ist hier auch die Lust, nach den Sternen zu greifen, deutlicher spürbar.

Die Erkenntnis ist gereift: nur ein ausreichendes Angebot stimuliert die Nachfrage.