Kolumn

Überproduktion und Unterversorgung

Im Zuge der Diskussion um neue Obergrenzen für die zollfreie Einfuhr von Produkten aus der Ukraine wie Weizen, Geflügel, Mais und Honig kommen bei den EU-Agrariern nicht nur Sorgen, sondern auch Ängste hoch. Die Ukraine hat doch vor dem Krieg halb Afrika mit Getreide versorgt und die Märkte in diese Richtung sind nicht mehr richtig offen. Eine zollfreie Getreidelawine ist zu befürchten.

Der Warenstrom ist die eine Sache. Die Ängste und wie man damit spielt, die andere Seite.

Die Stimmung macht den Markt, so ist es auch bei vielen anderen Produkten.

Ein Beispiel: Je nach dem, wie bei der Prognosfruit Anfang August die Aussichten und Prognosen interpretiert werden, so reagiert der Apfel- und Birnenmarkt zu Saisonbeginn. Dies kann am realen Markt pro Kilo ohne weiteres einmal 10 Cent plus oder minus betragen.

Dabei hängt es selten mit der tatsächlichen Menge zusammen, die erwartet wird. Es werden die Rahmenbedingungen für die neue Ernte genauer beleuchtet. Da kann es ohne weiteres sein, dass eine halbe Million Tonnen mehr oder weniger EU-Apfelernte weniger den Preis beeinflussen als eine aufnahmefähige Stimmung am Markt.

Überproduktion und Unterversorgung, zumindest in der Darstellung der Betroffenen, beeinflussen das Preisgefüge enorm. Wenn ein Verkäufer zu wenig Marktinformationen vom aktuellen Marktverlauf hat und sich daher vom Einkäufer erklären lassen muss, wie die Marktlage ist, dann ist dies immer einseitig eingefärbt. Der Einkäufer wird immer erklären, dass der Markt gesättigt ist und dass er von anderen Lieferanten auch ausreichend Ware bekommt. Daher muss der Preis nach unten.

Wenn Agrarpolitiker vollmundig der Bevölkerung eine Vollversorgung garantieren, dann haben sie eine wichtige Spielregel vergessen. Produzenten werden nur dann längerfristig eine Vollversorgung zur Verfügung stellen, so lange sie dafür ihren notwendigen Preis bekommen. Vom Draufzahlen kann auf Dauer niemand leben.

Sogar bei wirklichen Profis verschwimmt manchmal das Gefühl zwischen Überproduktion und Unterversorgung. Wenn vor einiger Zeit Bio-Pioniere ernsthaft darüber nachgedacht haben, dass man die Bio-Apfelproduktion doch limitieren sollte, da sie gerade am Markt ein wenig unter Druck geraten sind. In den Jahren zuvor und auch danach sind die Bioäpfel-Vorräte aus europäischer Produktion leider meist zum großen Teil schon Mitte Mai (bis auf Südtirol) zu Ende gewesen.

Also Meilenweit weg von Überproduktion.

Es ist wie beim Wandern, der Standpunkt beeinflusst den Ausblick.


Fritz Prem