Kolumn

Abdrift

Abdrift ist ein Umwelteintrag, der von den Betroffenen nicht verhindert werden kann. Es sind dies kleinste Mengen an Stoffen, die in einem normalen Produktionsvorgang nicht Verwendung finden oder in gewissen Produktionsweisen oder Kundenprogrammen sogar verboten sind.

Das Rückstandsmonitoring und dessen Analysemethoden werden immer feiner. Kleinste Mengen, so zu sagen ein Hauch, können mit heutigen Analysegeräten nachgewiesen werden. Im Falle eines Nachweises wird nicht mehr darüber diskutiert, ob es um eine Überschreitung des gesetzlichen Höchstwertes geht, es wird nur mehr sehr emotional darüber diskutiert, ob ein Molekül vom besagten Stoff da ist oder nicht.

Die Abdrift von Pflanzenschutzmitteln ist eigentlich relativ gut erforscht. Man weiß, wie es dazu kommt und welche Spritz- und Sprühgeräte Abdrift bis zu 90% minimieren. Wenn man die restlichen 10% auch noch verhindern möchte, dann gibt es nur zwei Alternativen: eine wirkstofffreie Landwirtschaft flächendeckend per Gesetz vor zu schreiben oder alle Gärten und Äcker mit Plastikfolien ab zu decken, damit von außen nichts an die Kulturen kommt.

Beide Varianten sind unrealistisch.

Das Heimtückische an der Abdrift ist, dass diese nicht nur durch Windverfrachtung von einem Grundstück zum Nachbargrundstück „weitergereicht“ wird. Durch eine thermische Abdrift werden geringe Mengen des Sprühnebels durch die sich erwärmende Luft in größere Höhen befördert und mit dem Wind über weitere Strecken befördert. Dort können sich diese Wirkstoffe auf Kulturen niederlassen, wo sie eigentlich nicht hingehören.

Eine staatliche Kontrollstelle hat bei „Blattkontrollen“ (die Analyse der Blätter während der Vegetation) in einer Biofläche Rückstände von einem in der konventionellen Landwirtschaft breitflächig eingesetzten Pflanzenschutzmittel gefunden. Dies in einer Konzentration gerade über der gesetzlichen Nachweisgrenze. Jeder Insider weiß, dass ein Kilo Apfelblätter ungefähr die hundertfache Menge von einem Kilo Äpfel aus der Umwelt „abfiltert“. In der gleichen Parzelle befindet sich somit auf der genussreifen Frucht etwa ein (nicht analysierbares) Hundertstel von der gesetzlichen Nachweisgrenze.

Womit wir wieder bei der obigen Diskussion wären, ob einige Moleküle eines nicht erlaubten Wirkstoffes vorhanden sein dürfen.

Der Landwirt mit den „positiv“ detektierten Rückständen wurde sanktioniert. Dies ist ungefähr so, wie wenn eine Gruppe von Buben Fußball spielt und dabei eine Fensterscheibe beim Nachbarhaus einschießt. Der Hausbesitzer fischt sich irgend einen der Buben heraus und verpasst ihm ein paar Ohrfeigen – irgendwie war er ja auch mit beteiligt. Ein Suchen nach dem Verursacher ist ihm zu mühsam.

Fritz Prem