Kolumn

Die dort in Brüssel

Wenn neue agrarpolitische Rahmenbedingenungen einheitlich für ganz Europa festgelegt werden, dann sind die ersten Reaktionen fast immer die selben. Am Beispiel vom Green Deal kann man dies wiederum ganz deutlich erkennen.

1. Stufe

Der Großteil der Betroffenen sieht in der Veränderung des politischen Rahmens eine Existenzbedrohung. Es werden sofort betriebswirtschaftliche Wissenschaftler bemüht, die den Untergang der Branchen herbei analysieren und dokumentieren.

Alle ärgern sich über die angeblich praxisfremden Technokraten in Brüssel.

2. Stufe

Es wird einmal in Ruhe der gesamte neue Rahmen durchgelesen und versucht, den Sinn dahinter zu verstehen. Man kommt zur Erkenntnis, dass die bisherige Linie mit maximalem Betriebsmitteleinsatz und wenig Rücksicht auf Umweltfolgen ein Auslaufmodell ist.

3. Stufe

Die einzelnen Branchen entwickeln sehr rasch zukunftsträchtige Modelle und suchen nach Mitstreitern, die ihr Überleben unter dem neuen agrarpolitischen Rahmen sicherstellen sollen. Sie begeben sich sogar weit über das bisher Gedachte hinaus, da sie wissen, dass sie mit der bisherigen Strategie zukünftig in einer Sackgasse landen.

4. Stufe

Innovationen und neue Technologien werden immer überlebensnotwendiger. Neue Entwicklungen in komplett neue Sphären waren bisher nicht notwendig, da das bisher da gewesene nur perfektioniert werden musste, um Erfolg zu haben.

5. Stufe

Die politischen Interessenvertreter und Bauernverbände sind gefordert die neuen Notwendigkeiten und auch Lösungsmöglichkeiten ihrem Klientel zu erklären. In Versammlungen und Publikationen müssen sie meist entgegen ihrer ersten Reaktion dem einfachen Mitglied erklären, warum der neue Weg auch Chancen aufmacht. Ansonsten handeln sie sich den Vorwurf ein, ihre eigenen Mitglieder auf dem Altar der hohen Politik geopfert zu haben. Zahltag wäre dann der nächste Wahltag.

Auch wenn es zuerst für die Betroffenen fürchterlich aussieht, so kann eine solche Situation auch eine „reinigende“ Funktion für die gesamte Branche haben. Das derzeit augenscheinlichste Beispiel ist die Fleischindustrie - von einem Ausreizen aller Möglichkeiten (einschließlich Arbeitsrecht) bis hin zu einem kompletten Umbau der Tierhaltung in Richtung Tierwohl.

Im Pflanzenbau springen neue Technologien an, die wesentlich weniger an chemischen Pflanzenschutzmitteln brauchen. Beim Bodenmanagement geht es nicht nur um die Nachdüngung von entzogenen Nährstoffen, es geht um Mikrobiologie, Humusaufbau und Bodengesundheit. Die ersten, die dieses neue System perfektioniert haben, sind wiederum die Gewinner.


Fritz Prem