Kolumn

„Tönnies“ auch in anderen Branchen?

Die Corona-Superspreader bei Tönnies haben zuerst einen Albtraum eines jeden Unternehmers sichtbar gemacht: eine Infektion kann ein ganzes Unternehmen lahm legen und möglicherweise in den Ruin treiben.

Eine zweite Erkenntnis ist aber für die ganze Branche mindestens so interessant. Mit dem Ausfall des größten Produzenten und den darauf folgenden Lieferengpässen bei vielen Weiterverarbeitern werden plötzlich die bisher nicht bekannten Warenströme für alle sichtbar.

Warenströme werden sichtbar

Eine weitere Erkenntnis ist mindestens so wertvoll. Die deutsche Schlacht-Industrie hat unter Ausnutzung aller sozialrechtlichen Möglichkeiten im Arbeitsrecht eine Grauzone geschaffen, die Löhne und somit Kosten deutlich unter den bisher üblichen Usancen ermöglichte. Es gab daher die Möglichkeit der Hersteller, diesen Kostenvorteil über aggressive Preiskämpfe um Marktanteile beim Konsumenten „ab zu liefern“.

Plötzlich tauchen die Arbeitsverhältnisse in der Schlacht-Industrie im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit auf. Fast zeitgleich dazu kommen die Beteuerungen, dass man solche „Sklaventreiber-Methoden“ in Zukunft abstellen wird. Aber die „Konkurrenz“ hat sich bisher gegenseitig in solche Rechtsverhältnisse gezwungen.

Arbeitsverhältnisse kommen ins Rampenlicht

Auch für die Frischebranche gilt: nicht alles, was unter Ausnutzung aller gesetzlichen Möglichkeiten machbar ist, ist in der Öffentlichkeit und vor allem beim Konsumenten akzeptiert.

Darüber hinaus kann es dem einen oder anderen Obst- und Gemüseproduzenten oder Verarbeiter in irgend einem Land in Europa auch passieren, dass z.B. die Unterkünfte seiner Mitarbeiter in einer Fernsehreportage auftauchen oder die nicht korrekten Arbeits-Stundenaufzeichnungen öffentlich werden. Gerade von solchen „schwarzen Schafen“ der Branche bezieht möglicherweise ein großer Lebensmittelhändler eines Landes seine Leitprodukte. Der Imageschaden ist nicht mehr wett zu machen.

Daher ist auch aus dieser Sicht der Ruf nach Regionalität verständlich – auch im sehr stark organisierten Lebensmittelhandel. Wenn ein Produzent oder Verarbeiter aus der Region z.B. die GRASP-Richtlinien (GLOBALG.A.P. Risk Assessment on Social Practice) negiert, dann hat er möglicherweise innerhalb von ein paar Tagen eine Gruppe aufgebrachter Konsumenten vor seiner Haustüre.

Wenn ein Erzeuger oder Verarbeiter in einer entfernten Region dies macht, dann bricht wahrscheinlich nach einem Shit Storm die Lieferbeziehung ab. Dieser Lieferant hat dann diese „Wiese abgegrast“ und sucht wahrscheinlich nach neuen fetten Weiden, wo wiederum nur der billigste Preis ein Thema ist.

Das Leben geht weiter. So oder so.

Fritz Prem