Kolumn

Bio oder „Bio vom Canon“

„Bio vom Canon“ ist Bio-Insidern ein Begriff. Es handelt sich hierbei um Produkte, denen zwar ein offizielles Bio-Zertifikat beigefügt ist, wo man aber davon ausgehen kann, dass dieses Bio-Zertifikat auf einem „Canon-Kopierer“ entstanden ist.

Nicht umsonst ist bei den alten Füchsen im Biogeschäft die Regionalität so hochgeschrieben. Sie wissen wo die Bioware herkommt und kennen meist sogar den Produzenten oder Lieferanten. Mit ihrer persönlichen Reputation handeln sie die echten Bioprodukte an ihre Kunden weiter. Somit sind die Glaubwürdigkeit und das Gefühl der Sicherheit in ein Produkt nicht unterbrochen. Niemand wundert sich deshalb in der Branche, warum lieber bei einem renommierten Bioanbieter eingekauft wird als bei einem unbekannten Newcomer.

Wenn ich ein wenig aus der Schule plaudere, dann möchte ich Ihnen folgendes vermitteln: Echte Bioprodukte sind nicht nur an ihrer „Rückstandsfreiheit“ zu erkennen, sondern sie sind in einem Gesamtprozess entstanden, der die Biogrundsätze wie Nachhaltigkeit und Kreislaufdenken mit einschließt. Bio-Kontrollfirmen machen hier ihr möglichstes.

In den letzten Tagen wurde Verarbeitungsobst mit „Bio-Zertifikat“ am internationalen Markt angeboten. Dies in größeren Mengen aus einer Region, die heuer zwar ein Überangebot an konventionellem Verarbeitungsobst hat, aber in der Bioobstproduktion bisher noch nie richtig in Erscheinung getreten ist.

Etwas stutzig macht mich die Wortwahl. Es steht da Verarbeitungsobst mit Biozertifikat – dies suggeriert beim Kunden die Frage des Lieferanten: Ich habe Verarbeitungsobst – welches Zertifikat brauchen Sie dazu noch?  Weiters rührt sich bei mir etwas, wenn es um das Preisgefüge geht. Verarbeitungsobst mit Bio-Zertifikat kostet um 1 Cent mehr als konventionelle Ware (das würde heißen, dass die Kopie am Canon 1 Cent kostet). Kein Niederschlag im Preis von den höheren Produktionskosten, den geringeren Ernten und dem höheren Produktionsrisiko in der Bioproduktion. Bei all den bis hierher beschriebenen Gedankengängen kann es sich möglicherweise aber auch um ein Hirngespinst von mir handeln.

Dieses aktuelle Angebot hat aber in der europäischen Bioszene wiederum ein Bewusstsein aufgeweckt. Bioprodukte sind nicht nur dann Bioprodukte, wenn sie mit dem entsprechenden Begleitpapier versehen sind. Biohandel ist Vertrauenssache auf der höchsten Stufe. Glücksritter haben hier normalerweise nichts verloren, auch wenn es sich um einen Wachstumsmarkt im Premiumsegment handelt.

Fritz Prem 29/2016