Kolumn

Mindestlohn

Jeder Produzent hat jetzt am Saisonende schwarz auf weiß, welche Auswirkungen die Einführung des Mindestlohnes von Euro 8,50 je Stunde bewirkt hat. Die Produktion von einem Kilo konventioneller Äpfel hat sich um etwa 4 Cent, jene in der Bioproduktion um etwa 8 Cent je Kilo verteuert.

Es war ja nicht nur die Erhöhung der niedrigsten Lohnklassen, auch qualifiziertere Arbeitskräfte, die bis dahin € 8,50 bekamen, haben berechtigter Weise ein Anpassung nach oben gefordert.

Wir könnten hier tagelang darüber philosophieren, welchen gesellschaftlichen Wert diese politische Maßnahme hat. Sie ist Realität. Aber wir dürfen ein Grundprinzip unseres Wirtschaftssystems nicht verlassen: Ausnahmslos hat jeder die Rechnung zu bezahlen, wo zuvor von ihm eine verbindliche Bestellung abgegeben wurde.

Beim Mindestlohn wurde die „Bestellung“ von der Politik stellvertretend für den Großteil der Bevölkerung abgegeben. Folgedessen ist sie auch von dort zu bezahlen.

Aber nun der Reihe nach:

Der Erntearbeiter am Spargelfeld oder im Obstgarten erhält mehr Lohn. Damit hat er mehr Geld für den Konsum. Der Staat erhält durch diese Regelung mehr Steuern, bei der Sozialversicherung erhöht sich die Bemessungsgrundlage. Im Denken einer Kreislaufwirtschaft muss damit auch wieder mehr Geld zu Betrieben zurückfließen, die die Erhöhung des Mindestlohnes vorfinanziert haben.

Dort liegt momentan die Klemmstelle. Der Produzent weiß, um welche Größe sich durch den Mindestlohn das Produkt verteuert hat. Der Verkäufer hat dies dem Kunden, in unserem Falle dem Lebensmittelhandel, zu erklären und um zu setzen.

In unserem Marktsystem gibt es niemanden, der „oben“ sitzt und Mindestverkaufspreise vorgibt. Unter Vollkaufleuten gilt nicht einmal das Konsumentenschutzgesetz. Die Preise werden zwischen Verkäufer und Kunden frei vereinbart.

In diesem Zusammenhang war es teilweise schlichtweg peinlich, wie Unternehmer fast weinerlich in der Öffentlichkeit die Einführung eines Mindestlohnes beklagten. Diese Persönlichkeiten  sind entweder einem alten Reflex gefolgt, bei dem alles zu bekämpfen ist, was neu daherkommt und nicht von ihnen stammt. Oder sie haben den Offenbarungseid abgelegt, dass sie mit ihren kaufmännischen Fähigkeiten überfordert sind, beim Kunden regionale Produkte aus zu loben und den Mehrwert auch zu kassieren, weil immer die Angst im Rücken sitzt, dass der Mitbewerb die Kostensteigerungen aus seiner Substanz abdeckt und damit konkurrenzfähiger ist.

Wenn dieser Offenbarungseid ehrlich war, dann sollten sich die betroffenen „Unterlasser“ überlegen, ob sie sich nicht vielleicht doch einen Straßenbesen kaufen und bei der nächsten Kommune als Straßenfeger anheuern, denn dort gibt es wieder einen gesetzlichen Mindestlohn.

Prem 44/2015