Kolumn

Echte Profis am Werk

Beim aufmerksamen Lesen der Fachpresse entsteht derzeit ein sonderbarer Eindruck.

Biolebensmittel sind im Preis weniger angestiegen wie konventionelle Lebensmittel.

Laien schließen daraus, dass es möglicherweise weniger Nachfrage nach Biolebensmittel gibt – sonst würde der Preis nicht „schwächeln“.

Der wirkliche Grund liegt ganz wo anders. Die Preise für den Konsumenten haben erst in zweiter Linie mit den Produktionskosten zu tun.

Beispiel: konventioneller Apfelpreis

Als Beispiel der konventionelle Apfelpreis an der Registrierkasse vom Supermarkt gefällig?

Dieser Preis ist in der Tat in den letzten Monaten stärker gestiegen.

Es ist so, dass für ein Packhaus einer größeren Erzeugergemeinschaft die Zusammensetzung des Endkundenpreises ein offenes Buch ist.

Sie verkaufen zB. an den Einkäufer vom Vollsortimenter zum Großhandelspreis die Äpfel. Dazu kommt die Verpackung, die Ausgangslogistik und allfällige Bonis und Rabatte, die vorher dazu gerechnet werden müssen, damit man sie nachher abziehen kann. Diesen Preis sieht man auf der Ausgangsrechnung.

Wertschöpfungskette ist ein offenes Buch

Da das Produkt für den Kunden in der Endverpackung mit fertig ausgezeichnetem Konsumentenpreis am Etikett ausgeliefert wird, so kann sogar ein Handelsschüler in der zweiten Klasse die Marge vom Kunden/Lebensmittelhandel nach rechnen.

Hier sehe ich vor allem am deutschen Markt, dass die Margen im Verhältnis zum Einkaufspreis in den letzten Monaten stärker gestiegen sind. Für mich ein Beweis, dass dort Profis am Werk sind.

Sie können dem Anbieter glaubhaft erklären, dass zwar seine Produktionskosten stärker gestiegen sind. Aber es gibt genug Anbieter bei diesem Produkt, die jetzt ihre Chance gekommen sehen, um bei diesem oder jenem großen Lebensmittelhandel „gelistet“ zu werden und gerade jetzt Mitbewerber ausstechen können. Sie erwarten, dass sie so nach einer gewissen Durststrecke schon wieder zu ihrem Geld kommen werden. Naiv, aber es ist so.

Also kaum eine Anhebung des Preises für den Produzenten.

Diese Profis wissen aber, dass im Zuge des allgemeinen Gefühls „Alles wird teurer“ es eine kaufmännische Pflicht ist, auch das Produkt Apfel einer Preissteigerung zu unterziehen. Ansonsten wäre es ja ein echtes „Billigprodukt“, das sowieso nicht wirklich etwas wert ist.

Beide Dinge sind umgesetzt. Somit ist die Marge des Lebensmittelhandels kontinuierlich gestiegen.

Ein Paradoxon am Rande: die „Billig-Eigenmarken“ der Vollsortimenter hatten im letzten Vergleichszeitraum den größten prozentualen Preisanstieg.


Fritz Prem