Kolumn

Kriminelle Energie

Letzte Woche war aus der Presse zu entnehmen, dass mitten im österreichischen Apfelproduktionsgebiet zeitig am Morgen für einen Obsthändler die „Handschellen klickten“. Die Finanzpolizei hat ihn abgeholt und umfangreiche Unterlagen sichergestellt.

Wie aus einer späteren Antwort der Staatsanwaltschaft auf eine Presseanfrage hin zu entnehmen ist, wird dem Obsthändler vorgehalten, dass er Vorsteuern in der Höhe von etwa 4,7 Millionen Euro zu Unrecht vom Finanzamt zurückgeholt habe.

Wie dies alles gelaufen ist und welche Schuld wen trifft und wer welche Strafe bekommt, dies werden ordentliche Gerichte aufklären und danach entscheiden müssen.

In welcher Form die Warenströme gelaufen sind, inwieweit einheimische Produzenten mit ihren Betriebsnummern wissentlich oder unwissentlich in den Unterlagen dieses Falles auf scheinen werden oder ob es sich um Ware aus anderen Herkünften handelt, darüber sind derzeit Vermutungen  außerhalb des Verfahrens unzulässig.

Viele aus der Branche fragen sich aber, welche Auswirkungen wird dieser Fall auf die gesamte Branche haben. Wie werden Kunden dieses Obsthändlers damit umgehen, dass sie über Jahre mit Ware von diesem Händler beliefert wurden. Wird die Finanzpolizei auch bei ihnen auftauchen und sich Warenströme ansehen – viele Fragen tun sich auf.

Wenn man die alten Füchse in der Branche bei einem Bier trifft, dann weiß jeder von irgendeiner Situation, die vielleicht nicht ganz „sauber“ abgegangen ist – ein Kavaliersdelikt eben, wo man seinen Geschäftspartner ein wenig über den Tisch gezogen hat.

Die alten Füchse wissen aber auch, dass mit zwei Institutionen nicht zu spaßen ist: dem Finanzamt und der Kartellbehörde.

Die Mitarbeiter der Finanzbehörde haben sich durch diesen Fall anscheinend umfassend in die Usancen der Frische-Branche eingelesen und wissen über aktuelle Abläufe relativ gut Bescheid.

Es ist an zu nehmen, dass dieses Wissen bei der Behörde um die Branche in breiterem Umfang Fuß fassen wird. Aus dem Umfeld der Staatsanwaltschaft ist derzeit informell folgende Botschaft an die Branche zu erfahren: bei einem schlechten Gewissen mindert eine Selbstanzeige das Strafausmaß - eine eindeutig zweideutige Nachricht.

Somit wird die Frischebranche im Lande möglicherweise in naher Zukunft häufiger Besuch bekommen, um Erklärungen in anhängigen Strafverfahren zu überprüfen.

Eine Klarstellung am Schluss dieser Kolumne. Für alle nicht rechtskräftig Verurteilten gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung. 

Fritz Prem