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Unfaire Handels-Praktiken16. April 2018

Die EU-Kommission sendet einen Richtlinienvorschlag in Begutachtung, der unlautere Handelspraktiken im Lebensmittelhandel verbieten soll und bei Nichteinhaltung spürbare Sanktionen ermöglicht.

Irgend etwas scheint da in der Vergangenheit schief gelaufen zu sein. Auf der einen Seite hat sich der LEH in einer noch nie da gewesenen Dichte konzentriert. Auf der anderen Seite haben Lieferanten und Lieferantengruppen beinahe in einer Naivität oder auch nur im guten Glauben zugesehen, wie dies passiert ist. In diesem Falle waren die Lieferanten in bester Gesellschaft – auch die Wettbewerbshüter haben diese Entwicklung so nicht vorhergesagt.

Mit der Verschiebung der Marktbedeutung ist auch eine Verschiebung der Macht mit einher gegangen. Lieferanten und Verkäufer haben mit jeder Lieferung ihres Produktes Stück für Stück den Teil ihrer Macht beim Kunden mit abgeliefert.

Ich habe als Zuseher life mit erlebt, wie Einkäufer begonnen haben, ihre neu gewonnene Macht aus zu leben. Zum Grundrepetoire eines Einkäufers gehörte das Abhängig machen des Lieferanten vom Kunden. Danach folgte die laufende Drohung des sofortigen „Aus-Listens“ aus der Lieferantenliste, falls der Lieferant nicht „spurt“. Um nicht den Hauptkunden zu verlieren, krümmte und wand sich der Lieferant in die gewünschte Richtung.

Je größer das Angebot ein und desselben Produktes am Markt wurde, desto frecher die Forderungen des Einkäufers. Er hatte nichts zu verlieren – er konnte ja aus dem Vollen schöpfen und durch zeitweiliges Auslisten seinen Forderungen Nachdruck verleihen.

In weiterer Folge sind die Zahlungsziele für verderbliche Produkte im gegenseitigen Wettbewerb der Lieferanten dramatisch in die Länge gezogen worden. Sogenannte „freiwillige“ Rücknahmen unverkaufter Produkte durch den Lieferanten oder kurzfristige Storno konnten oft als ungeschriebenes Recht etabliert werden.

Beiträge zu Marketingmaßnahmen von LEH-eigenen Handelsmarken, WKZ-Beiträge oder generelle Beiträge zu Jubiläen oder Filialeröffnungen listen die EU-Beamten weiter auf.

Je cholerischer oder frecher der Einkäufer war, desto schneller konnte die Verschiebung der Handelsmacht umgesetzt werden.

Wenn ich mir dies alles so ansehe, dann passt da etwas nicht zusammen. Auf der einen Seite haben Lieferanten Scheibe für Scheibe ihre Macht beim Kunden abgeliefert – dies bewusst, unbewusst oder aus purer Naivität.

Jetzt soll die viel geschmähte hohe Politik die Spielregeln reglementieren und sogar über Beschwerdestellen sanktionieren.

Hand aufs Herz: Ein kleines Stück mehr Professionalität auf beiden Seiten würde diesen Schritt erübrigen.

Fritz Prem

KOMMENTARE (2) Artikel kommentieren
18.04.2018
08:22 Uhr
Tropia Simone
Das wäre ein guter Anfang!!
Jedoch vergesst ihr das neue Modewort "soziale Standard". Der ganze Zertifizierungs Irrsinn wird allmählich unübersichtlich.
Hier mein Gedanke zum sozialen Standard:
Der LEH lässt sich bestätigen dass der Lieferant/Produzent/Bauer/Arbeiter gerecht (Stundenlohn) bezahlt wird. Aber jedem ist bewusst dass bei jeder wöchentlichen Versteigerung nicht alles mit rechten Dingen zu und her geht. Z.b. wenn ein LEH - Riese in der CH span. Erdbeeren die 500g Schale mit 1sFr. (ca. 80cents) im Laden verkauft. Das einzige was in dieser Rechnung stimmt, ist die Marge der Verkaufskette. Bauer bekommt 0.
22.04.2018
15:54 Uhr
Fritz Prem
Guten Tag, als Verfasser der Kolumne möchte ich Ihnen meine Sicht zu Ihren Ausführungen übermitteln. Die Maxime von "Leben und leben lassen" hat sich im Lebensmittelhandel nur bei gewissen Geschäftsmodellen als Erfolg etabliert. Da in einer freien Marktwirtschaft niemand ganz oben sitzt, der verbindlich festlegen kann, welche Preise und Standards sozial gerecht und fair sind, so entwickeln sich soziale Standards und Preise im freien Spiel der Kräfte. Wenn jemand in der Wertschöpfungskette übersehen hat, dass er sich in die Position des Schwächeren hinein manövriert hat, dann hat er zu handeln. Entweder er verändert seine Position oder er muss weiter zulassen, dass sein Produkt vom stärkeren in der Wertschöpfungskette verramscht wird. Ich könnte ihnen auf Anhieb 10 Beispiele darstellen. Wenn zB. mehrere Produzenten ein und das selbe Produkt bei ein und dem selben Großkunden anbieten, dann ist es so gut wie zwingend vor gegeben, dass der billigste Anbieter liefern wird. So entstehen Preise wie Sie beschrieben haben. Das sagt in diesem Falle nichts mehr über die tatsächliche Qualität und dem sozialen Standard, unter dem das Produkt produziert wurde, aus.