Wittenberg Gemüse / Elite Frische Service GmbH

Mindesstundenlohn – eine unendliche Geschichte05. August 2025

Die Agrarbranche kann sich noch immer nicht damit abfinden, dass sie in ihren handarbeitsintensiven Sparten nicht von den Erhöhungen der Mindeststundenlöhne ausgenommen ist. Intensive politische Gespräche für eine Sonderregelung sind im Gange.

Im Europäischen Bioobst Forum haben wir begonnen, die gesamten Kosten einer Bioapfelproduktion in ganz Europa zu vergleichen. Da sind ganz interessante Details zu Tage gekommen.

In einzelnen Ländern gibt es bereits Sonderregelungen für Erntearbeiter in der Landwirtschaft. So zum Beispiel die 70-Tage Regelung in Deutschland. Oder die Sonderregelung für Landwirtschaft in Frankreich. Oder auch die Rabattregelung für Lohnnebenkosten für benachteiligte Gebiete in Italien. Aber auch auf der anderen Seite die Regelung einer aliquoten Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Form eines 13. und 14. Monatsgehaltes. Dies ist im direkten Vergleich der Mindeststundenlöhne nicht abgebildet.

Wir haben daher als ersten Schritt einen Vergleich der tatsächlichen Erntekosten je Kilo Bioapfel über die gesamte Erntesaison gerechnet und verglichen.

Da sind interessante Erkenntnisse aufgetaucht. Trotz sehr unterschiedlicher Kollektiv-Stundenlöhne und teilweise bis zu 75% Rabatt auf die gesetzlichen Lohnnebenkosten sind die Erntekosten pro Kilo Apfel nicht so weit auseinander. 

Wie ist dies möglich?

Die eher unsicheren Sondermöglichkeiten wie die 70-Tage Regelung wird von immer weniger Unternehmen angenommen. Niemand ist sich sicher, ob eine Sozialversicherung nach mehreren Jahren bei einer Kontrolle ein Haar in der Suppe findet und dann ist der Betrieb mit den anfallenden Nachzahlungen für mehrere Jahre ruiniert.

Die aliqouten Sonderzahlungen, die in Österreich bei jedem Dienstverhältnis (zB. auch bei geringfügig Beschäftigten) zu leisten sind, schließen damit zu jenen Ländern auf, die höhere Mindestlöhne haben.

Die relativ hohen Rabattierungen bei den Lohnnebenkosten haben eine interessante Nebenwirkung. Da in der gesamten Region damit die Gesamtkosten je Stunde spürbar niedriger sind, hat es sich eingeführt, dass man den Erntearbeitern zusätzliche Sonderbenefits geben konnte, da es die Nachbarn auch getan haben. Somit bekommt mittlerweile niemand in der Region um den gesetzlichen Mindestlohn brauchbare Erntearbeiter. Die umgerechneten Stundenkosten sind Mindestlohn plus abgesenkte Lohnnebenkosten plus notwendiges Sonderbenefit.

Damit erklärt sich ein Annähern der Erntekosten je Stunde im deutschsprachigem Raum.

Und Hand aufs Herz: der Unterschied zum Erntearbeiter in Polen selbst pro Stunde von etwa 8 Euro war bisher schon gegeben. Mit welchem Argument erklärt man den verantwortlichen Sozialpolitikern, dass man bisher damit gelebt hat. 


Fritz Prem

KOMMENTARE (0) Artikel kommentieren