Schweiz: Vom Zucker zu alternativen Proteinen – Pouletersatz auf Zucker und Pilzen basiert
Was letzten Sommer noch nach Zukunftsmusik klang, ist inzwischen Realität geworden: In Aarberg, wo seit über 100 Jahren Zuckerrüben verarbeitet werden, entsteht nun auch der Rohstoff für ein völlig anderes Lebensmittel – ein Fleischersatz, der nicht auf Soja oder Erbsen, sondern auf Zucker und Pilzen basiert, so der Landwirtschaftliche Informationsdienst (LID).
Foto © LID / rho
In Aarberg steht nicht nur eine Zuckerfabrik, sondern auch die Produktionsstätte eines Fleischersatzes – hergestellt mithilfe von Pilzmyzel und Zucker. Möglich macht das eine Partnerschaft zwischen der Schweizer Zucker AG und dem Biotech-Start-up Planetary. Das erste marktreife Produkt der Firma Planetary ist inzwischen erhältlich.
Eine neue Rolle für Schweizer Zucker
Im Sommer 2024 startete Planetary die industrielle Produktion mithilfe von Präzisionsfermentation in einer Halle der Zuckerfabrik Aarberg.
Ein Jahr nach Inbetriebnahme der Produktionsanlage ist der grosse Schritt geschafft: Planetary hat das erste Produkt auf Basis von Präzisionsfermentation lanciert.
Das neue Produkt sieht aus wie Poulet, schmeckt ähnlich – enthält aber eben kein Fleisch. Die Basis bildet das Myzel von Speisepilzen, das in einem kontrollierten Prozess mit Zuckersirup gefüttert wird.
Daraus entsteht ein proteinreicher, strukturierter Fleischersatz. Aktuell wird das Produkt als vegetarisches Filet in rund 250 Aldi-Filialen in der Schweiz angeboten.
Die Schweizer Zucker AG spielt dabei eine zentrale Rolle im Hintergrund: Sie stellt nicht nur die Hallen und Infrastruktur zur Verfügung, sondern liefert auch den Rohstoff für die Fermentation – Zuckersirupe in verschiedenen Ausführungen.
«Planetary hat an ihrem Produkt gefeilt und ihre Produktionsanlage in unseren Hallen skaliert», sagt Raphael Wild, Kommunikationsleiter der Schweizer Zucker AG.
«Das Produkt selbst stammt ausschliesslich von Planetary – wir stellen die Fermentationssubstrate zur Verfügung sowie industrielle Infrastruktur wie Wärme, Strom und Druckluft.»
Aktuell wird das Produkt als vegetarisches Filet in rund 250 Aldi-Filialen in der Schweiz angeboten. (Foto © LID / rho)
Partnerschaft mit Potential
Die Zusammenarbeit zwischen Planetary und der Schweizer Zucker AG hat sich laut Raphael Wild gut eingespielt.
Planetary hat für den Markteintritt die Aarberg Food AG gegründet. Weitere Industriepartner sind derzeit nicht beteiligt, doch das Start-up verfügt über mehrere internationale Investoren – und hat offenbar schon weitere Produkte in der Pipeline.
Denn im Gegensatz zu vielen Laborfleisch-Projekten basiert die Fermentationstechnologie, die sich Planetary zunutze macht, auf bereits bewährten, lebensmittelsicheren Organismen. Daher sind auch die Hürden, ein entsprechendes Produkt auf den Markt zu bringen, weniger hoch.
Die Schweizer Zucker AG hingegen konzentriert sich auf ihre Rolle als Zulieferin: «Von uns sind momentan keine eigenen Produkte geplant», so Raphael Wild.
Man prüfe aber kontinuierlich neue Ideen zur umfassenden Verwertung der Zuckerrübe – ähnlich wie bei den Projekten rund um die Ethanolproduktion oder Pektin.
Diese Zusammenarbeit zeigt: Zucker kann mehr als süssen. In der Präzisionsfermentation dient er als Futter für Mikroorganismen, die daraus Proteine oder strukturierte Biomasse herstellen – ein Ansatz, der im globalen Foodtech-Sektor als besonders vielversprechend gilt. In Aarberg trifft dieser Zukunftstrend auf jahrzehntelange industrielle Erfahrung.
In der Fabrik in Aarberg wird nicht nur Zucker produziert, sondern unter anderem auch Pilzmyzel fermentiert. (Foto © LID / rho)
Biotech als Ergänzung zur Zuckerproduktion
Ob Aarberg künftig stärker auf Biotechnologie setzt, lässt die Schweizer Zucker AG offen. «In erster Linie produzieren wir besten Schweizer Zucker», betont Raphael Wild.
Die Infrastruktur sei auf diesen Zweck ausgerichtet, grössere Umstellungen bräuchten entsprechende Investitionen.
«Etwas komplett anderes zu produzieren, ist schwierig und bedarf grösseren und wohlüberlegten Investitionen», erklärt der Kommunikationsleiter der Schweizer Zucker AG weiter.
Dennoch: Wenn sich neue Chancen ergeben – auch im Biotechbereich – werde man diese sorgfältig prüfen. Schliesslich ist der Zuckermarkt volatil und Diversifikation könne langfristig eine Absicherung bieten.
Ein langfristiger Effekt der Kooperation könnte sich auch im Schweizer Ackerbau zeigen: «Wenn durch neue, innovative Produkte die Nachfrage nach Zuckerrüben steigt, profitieren auch die Pflanzerinnen und Pflanzer», erklärt Raphael Wild.
Aktuell stammen die verwendeten Zuckersirupe von Schweizer Zuckerrüben – für die Wertschöpfung im Inland ein positives Signal.
Wie die Zuckerfabrik in Aarberg in zehn Jahren dasteht, bleibt offen. Klar ist: Der Trend zu nachhaltigen, tierfreien Proteinalternativen setzt sich fort.
Während viele dieser Produkte auf importierten Zutaten basieren, entsteht in Aarberg ein Ansatz mit lokaler Verankerung – und einer traditionsreichen Kulturpflanze im Zentrum.
«Ob und in welcher Form Zucker oder die Zuckerrübe künftig eine Rolle in der Ernährung spielen wird, wird sich zeigen», so Raphael Wild. «Wir sind jedenfalls offen für neue Ideen – unser Motto lautet ‹Rübis und stübis›, also die komplette und nachhaltige Verwertung der Zuckerrübe.»
Quelle: LID
Veröffentlichungsdatum: 28.07.2025