Podcast „Nah.Dran.Ge(h)n“ Raiffeisenverband Südtirol: Apfelanbau im Vinschgau zwischen Wandel und Chancen
Warum es für junge Obstbauern heute nicht mehr selbstverständlich ist, den eigenen Betrieb zu übernehmen, wie sich der Obstbau verändert – und warum es trotzdem Grund zur Zuversicht gibt. Ein Podcast mit VIP-Direktor Martin Pinzger.
Martin Pinzger, Direktor des Verbandes der Vinschgauer Produzenten für Obst und Gemüse. (Foto © VIP)
Im jüngsten Podcast „Nah.Dran.Ge(h)n“ des Raiffeisenverbandes Südtirol spricht Martin Pinzger, Direktor des Verbandes der Vinschgauer Produzenten für Obst und Gemüse (VIP), mit Thomas Hanni über die strukturellen Veränderungen im Apfelanbau im Vinschgau.
Er zeichnet ein differenziertes Bild zwischen unternehmerischen Herausforderungen, rückläufigen Betriebszahlen – und echten Zukunftschancen.
Weniger Betriebe, größere Flächen
„Wenn wir vor fünf Jahren noch von 1.700 Mitgliedern gesprochen haben, sind es heute rund 1.400 Mitglieder und an die 1.100 Betriebsleiter“, schildert Martin Pinzger die Entwicklung.
Dabei sinkt die Anzahl der Betriebe, während die bewirtschaftete Fläche insgesamt weitgehend konstant bleibt, was für den Erzeugerverband VIP wesentlich ist. Das bedeutet unter anderem auch: Weniger, aber größere Betriebe.
Einerseits erlaubt die moderne Technik effizientere Betrieb, andererseits steigt damit auch die Investitionslast. Der Apfelanbau ist seit Jahren hochgradig kapitalintensiv – von Hagelnetzen über Tropfbewässerung und Maschinen bis hin zu neuen Sorten braucht es beträchtliche Investitionen. Für kleine Betriebe mit geringen Rücklagen wird es dabei mitunter zunehmend schwieriger, mitzuhalten.
Nachwuchsprobleme trotz stabiler Marktchancen
Ein Thema, das nicht wegzuleugnen ist, ist die Tatsache, dass sich vermehrt junge Menschen echt überlegen, ob sie wirklich bereit sind, einen Obstbaubetrieb zu übernehmen. „Die Vielfalt an Ausbildungs- und Berufswegen ist heute deutlich größer als früher. Viele entscheiden für eine andere berufliche Entwicklung“, erklärt Pinzger.
Vor allem kleinere Betriebe tun sich schwer, Nachfolger zu finden – oft fehlen Perspektiven, die Investitionen sind hoch, die Erträge schwankend. Dennoch: Laut EU-Agrarprognosen soll die Apfelproduktion in Europa in den kommenden Jahren durchaus konstant bleiben, ebenso der Konsum.
„Das bedeutet eher stabile Marktverhältnisse. Wer heute in die Produktion einsteigt, hat Chancen – wenn motiviert und professionell gearbeitet wird“, betont Pinzger.
Strukturwandel auch als Chance
Wo Flächen frei werden, entstehen neue Möglichkeiten. „Noch vor 10 oder 20 Jahren war es schwer, zusätzliche Fläche zu pachten. Heute ist das wohl einfacher“, erklärt Pinzger.
Gerade mittlere, aber auch kleinere Betriebe könnten dadurch wachsen. Auch neue Anbaugebiete im oberen Vinschgau könnten durch den Klimawandel an Attraktivität gewinnen.
Die Gesamtfläche von rund 5.300 Hektar Obstbau im Vinschgau soll jedenfalls gehalten werden – wenn auch durch weniger, aber wirtschaftlich stärker aufgestellte Produzenten.
Frauenanteil gering – Arbeitskräftemangel groß
Ein weiteres Thema ist die Rolle von Frauen in der Branche. Obwohl rund 15 % der Mitglieder Frauen sind, sind diese in Gremien kaum vertreten. „Hier haben wir klaren Nachholbedarf“, räumt Pinzger ein.
Deutlich spürbar ist zudem der Fachkräftemangel – von Erntehelfern über Lagerlogistik bis hin zur Verwaltung. Je höher die Qualifikationsanforderungen, desto schwieriger wird es mit der Suche. Die Nähe zur Schweiz verschärft das Problem zusätzlich.
Trotz aller Herausforderungen bleibt Pinzger zuversichtlich: „Der Obstbau ist heute eine unternehmerische Tätigkeit. Wer bereit ist, Verantwortung zu übernehmen und professionell zu wirtschaften, dem stehen viele Türen offen.“
Quelle: Raiffeisenverband Südtirol
Veröffentlichungsdatum: 14.08.2025