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DBV-Situationsbericht 2019/20:

Marktmacht des Lebensmittelhandels ist groß

Der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) in Deutschland ist der größte Absatzkanal für die deutschen Lebensmittelhersteller. Er erzielte 2018 einen Umsatz einschließlich Non Food von 248,0 Milliarden Euro. Das sind gegenüber dem Vorjahr 2,8 Prozent mehr. Der darin enthaltene Food-Bereich stieg um 2,5 Prozent auf 205,7 Milliarden Euro.

Foto © DBV
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Die Unternehmenskonzentration ist hoch, die fünf größten Unternehmen – Edeka, Rewe, Schwarz-Gruppe, Aldi und Metro – vereinen dabei gut 75 Prozent Marktanteil auf sich. Ihnen gegenüber stehen über 6.100 überwiegend kleine und mittelständische Lebensmittelhersteller. Durch diese ungleich verteilten Verhandlungspositionen entstehen unter den Lebensmittelherstellern ein harter Qualitäts- und Preiswettbewerb und damit ein intensiver Wettbewerb um die Listenplätze der Handelsunternehmen.

Konzentration des Handels nimmt weiter zu

Die mit Abstand größte deutsche Handelskette ist die Edeka-Gruppe mit einem Umsatzanteil von 23,7 Prozent (2018). Danach folgen die Rewe-Gruppe mit 17,8 Prozent, die Schwarz-Gruppe (Lidl) mit 16,2 Prozent und die Aldi-Gruppe mit 12,2 Prozent. Die deutschen Konsumenten werden heute (2018) von 37.600 Filialen des Lebensmitteleinzelhandels täglich mit frischen Lebensmitteln und Getränken versorgt. Zehn Jahre zuvor (2008) waren es noch entsprechend 50.000 Geschäfte. Binnen 10 Jahren ist die Anzahl der Lebensmittelgeschäfte damit um 25 Prozent zurückgegangen.

Foto © DBV
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Für das Jahr 2019 erwarten die Lebensmittelhändler ein Umsatzwachstum (einschließlich Non Food) von 6,4 Milliarden Euro gegenüber Vorjahr. Dies entspricht einem Anstieg von etwa 2,6 Prozent. Allein Edeka, Rewe, Schwarz und Aldi werden laut Prognose mit durchschnittlich 3,4 Prozent wachsen, was insgesamt einen Umsatzanstieg von rund 6,2 Milliarden Euro ausmacht.

Discounter und Vollsortimenter im Wettbewerb

Im internationalen Vergleich ist der Marktanteil der Discounter in Deutschland mit 43,4 Prozent weiterhin sehr hoch. Während Vollsortimenter wie Edeka und Rewe verstärkt auf flexible Angebote (Aktionsgeschäft), Eigenmarken und offensive Marketingstrategien setzen, versuchen Discounter wie Aldi und Lidl mehr Markenartikel und Frischeprodukte in die Regale zu nehmen. Um sich am Markt zu profilieren, werden zunehmend Produktprogramme eingeführt, bei denen Nachhaltigkeitsaspekte im Vordergrund stehen.

Convenience als größter Innovationstreiber

Das Lebensmittelangebot in Deutschland umfasst mehr als 170.000 Produkte. Gut 40.000 neue Produkte erweitern jährlich das Angebot und lassen auch neue Marktsegmente entstehen. Nur gut 13.000 davon behaupten sich über zwei Jahre hinaus, der Rest weicht neuen Trends. Fertigprodukte, im Englischen Convenience Produkte genannt, liegen dabei auf Platz eins der wichtigsten Innovationstreiber. 83,5 Prozent der weltweiten Produktneuheiten in 2018 beanspruchen dieses Qualitätsmerkmal für sich. Platz 2 und 3 der Innovationstreiber werden von den Attributen gesunde und durch Nachhaltigkeit motivierte Ernährung eingenommen. Dabei kombinieren Produktneuheiten heute in der Regel mehr als nur eines dieser Attribute.

Produktneuheiten setzen auch auf Gesundheit und Nachhaltigkeit

Fertigprodukte nehmen dem Verbraucher Küchenarbeit wie Schneiden, Würzen oder Erwärmen ab oder sind zum Teil sofort verzehrbar. Fertigprodukte unterscheiden sich nach der Art der Haltbarmachung (z.B. Gefrieren, Konservieren oder Verpacken) oder auch nach der Fertigungsstufe (z.B. küchenfertig, garfertig oder verzehrfertig). Heute kennt der Markt verschiedene Sortimente an Fertigprodukten, die verschiedene Haltbarmachungen und Fertigungsstufen miteinander kombinieren, angefangen bei den Tiefkühlprodukten, Konserven und Fixprodukten, über das rasch wachsende Segment an Kühlkost (engl. Chilled Food), bis hin zu den komplett vorbereiteten Mahlzeiten, die per Lieferdienst auch an die Haustür gebracht werden.

Wertewandel Richtung flexible Lebensstile

80 bis 90 Prozent aller in Deutschland konsumierten Lebensmittel sind Fertigprodukte. Während Versorgungssicherheit und lange Haltbarkeit die Ursprungsideen von Fertigprodukten waren, stehen heute die Arbeitsverringerung im Haushalt, schnelle und einfache Nahrungszubereitung sowie die Anpassung an einen flexiblen Lebensstil im Vordergrund. Soziodemografische Trends wie die steigende Anzahl an 1 Personen-Haushalten oder eine höhere Erwerbstätigenquote befördern diese Entwicklung. Hinzu kommt ein Wertewandel, der zu einer höheren Freizeitorientierung und einem Rückgang von festen Mahlzeitstrukturen führt. Auch mehr Flexibilität im Berufsleben sorgt für eine Abkehr von traditionellen Ernährungsmustern. 82 Prozent der Menschen in Deutschland sehen in Fertigprodukten eine große Erleichterung im Alltag.

Nachhaltigkeit von Nahrungsmitteln wird zunehmend hinterfragt

Das gestiegene Bedürfnis, etwas „Gutes“ für sich selbst und seine ökologische und soziale Umwelt zu tun, zeigt sich beim Lebensmitteleinkauf und Essverhalten. Sei es durch die Produktauswahl, einen reduzierten Mengenkonsum oder auch eine höhere Zahlungsbereitschaft: Gut ein Viertel der deutschen Konsumenten konsumiert auf diese Weise Lebensmittel.

Ansprüche an Lebensmittel werden immer vielfältiger

Proteinreiche, vegetarische, vegane, amerikanische oder mit Superfoods angereicherte Lebensmittel (Funktional Food) sind die Trendprodukte der letzten Jahre. Aber auch Produkte mit besonderen Merkmalen wie regional, nachhaltig, Fair Trade und Bio sind am Markt ständig verfügbar. Auf alle ernährungsphysiologischen Eigenschaften von glutenfrei, laktosefrei, kalorienarm bis eiweiß- oder ballaststoffreich wird Rücksicht genommen. Die Produktauswahl wächst. Zu jedem Produkt bzw. Fertigprodukt gibt es eine vermehrte Zahl von Alternativen. Gleichzeitig können sich die Konsumenten auf Grund von Digitalisierungsfortschritten einfacher im Markt orientieren, schneller bezahlen oder personalisierter einkaufen.

Verbraucher wollen frische Produkte

„Viel Natur und möglichst frisch“, über alle Generationen hinweg machen diese Charakteristika Lebensmittel für den Verbraucher authentisch. In den letzten Jahren ist die Frische-Orientierung der deutschen Haushalte stark gestiegen. Fast jeder zweite Verbraucher bevorzugt Lebensmittel aus dem Frischesortiment statt Konserven.

Potenziale für Lebensmittel aus der Region

Foto © DBV

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Nach Ergebnissen einer repräsentativen Forsa-Befragung aus 2018 legen mehr als drei Viertel der deutschen Verbraucher (78 Prozent) Wert darauf, dass ihre Lebensmittel aus ihrer Region stammen. Bundesweit gibt es nahezu unzählige Marken, Qualitätszeichen und Siegel, die Regionalität betonen. Allerdings sind Bezeichnungen wie „aus der Region“ und „heimisch“ nicht geschützt. Die Anbieter von regionalen Erzeugnissen können selbst bestimmen, wie groß ihre Region ist. Auch wird der Begriff „regional“ in der Bevölkerung unterschiedlich interpretiert. Dies reicht von einem Umkreis von 10 bis 50 km, über das Bundesland bis hin zu Deutschland. Mit regionalen Lebensmitteln verbinden Verbraucher Geschmack, Qualität und Frische, aber auch Heimat, einen engeren Bezug zum Lebensmittel, kurze Transportwege und Unterstützung der regionalen Wirtschaft. Regionale Ware wird im Vergleich zu anderen Lebensmitteln als frischer (77 Prozent) wahrgenommen. Bei Bio-Ware haben nur 29 Prozent der Verbraucher in Deutschland diesen Eindruck. Die meisten regionalen Produkte werden im Lebensmitteleinzelhandel gekauft. Eier, Gemüse, Obst, Fleisch und Milchprodukte sind die TOP-Fünf der im Umland erzeugten Waren, auf die Verbraucher besonders gerne zugreifen. Verschiedene Studien belegen, dass die „Potentiale von Regionalität“ noch nicht ausgeschöpft sind.

Veggie-Trend

Nach dem BMEL-Ernährungsreport von Anfang 2019 ernähren sich sechs Prozent der Bundesbürger vegetarisch. Weitere gut 1 Prozent der Bürger sind Veganer. Der Umsatz mit vegetarischen und veganen Lebensmitteln wird für 2019 auf gut 1,2 Milliarden Euro geschätzt, Tendenz steigend. Neuere umfassende wissenschaftliche Studien zweifeln vermeintliche Gesundheitsnachteile des Fleischverzehrs an und belegen, dass die Klimaauswirkungen aus der Erzeugung von rotem Fleisch wie Rindfleisch erheblich überschätzt werden. Methan hat eine deutlich geringere Klimarelevanz als bislang kalkuliert. Der Umsatz von Fleischersatzprodukten in Deutschland lag im ersten Halbjahr 2019 bei rund 12.500 Tonnen.

Hier gelangen Sie zum vollständigen Situationsbericht 2019/20 - Landwirtschaft und Gesamtwirtschaft.

Quelle: Deutscher Bauernverband e.V.

Veröffentlichungsdatum: 05. Januar 2021