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„Wirtschaftspolitische Unsicherheiten weiter hoch“

ifo Konjunkturprognose Sommer 2025: Erholung rückt näher

Zu Jahresbeginn 2025 verzeichnete die deutsche Wirtschaft ein kräftiges Wachstum von 0,4 % gegenüber dem Vorquartal. Rund die Hälfte dieses Anstiegs ist auf vorgezogene Exporte in die USA zurückzuführen – eine Reaktion auf erwartete US-Zollerhöhungen. Daneben trugen aber auch der private Konsum und die Investitionstätigkeit zur positiven Entwicklung bei.

Deutsche Konjunktur

Zahlreiche Indikatoren deuten darauf hin, dass die Krise der deutschen Wirtschaft im Winterhalbjahr 2024/25 ihren Tiefpunkt erreicht hat. Der private Konsum entwickelt sich seit vier Quartalen positiv und beschleunigt sich in der Tendenz. Die Kaufkraftgewinne, die sich aus dem Anstieg der realen Einkommen ergeben, werden zunehmend verausgabt und nicht mehr gespart.


Bildquelle: Pixabay

Die Dynamik aus dem ersten Quartal 2025 wird im weiteren Jahresverlauf nicht aufrechterhalten werden können. Im zweiten Quartal ist mit einer Stagnation zu rechnen, da es im April infolge der Vorzieheffekte zu einem spürbaren Rückgang der Industrieproduktion und der Exporte kam. 

Allerdings bleiben die Aussichten dank verbesserter Auftragslage und optimistischer Stimmungsindikatoren vorsichtig positiv. Hinter dem zunehmenden Optimismus verbirgt sich vermutlich auch die Hoffnung auf einen wirtschaftspolitischen Neustart mit der neuen Bundesregierung sowie auf Fortschritte im Handelskonflikt mit den USA.

In der Prognose wird unterstellt, dass keine weiteren Änderungen in der US-Handelspolitik erfolgen. Dennoch belasten die bereits in Kraft getretenen Zollerhöhungen auf EU-Importe die Exportwirtschaft. Modellrechnungen zufolge dämpfen sie das deutsche BIP-Wachstum im Jahr 2025 um 0,1 und im Jahr 2026 um 0,3 Prozentpunkte.

Erwartet wird außerdem, dass die neue Bundesregierung die Infrastruktur- und Verteidigungsausgaben ausweitet und ihre im Koalitionsvertrag angekündigten Maßnahmen umsetzt.

Dazu zählen u.a. steuerliche Anreize wie beschleunigte Abschreibungen, die Senkung der Umsatzsteuer in der Gastronomie, der Stromsteuer und der Netzentgelte sowie eine höhere Pendlerpauschale.

Zusammengenommen dürfte die Finanzpolitik im Jahr 2025 nur geringe (10 Mrd. Euro) und im Jahr 2026 deutlich stärkere Impulse setzen (57 Mrd. Euro).

In der Folge dürften die staatlichen Konsum- und Investitionsausgaben sowie die Unternehmensinvestitionen vor allem im kommenden Jahr spürbar zulegen.

Das durchschnittliche vierteljährliche BIP-Wachstum wird 2026 auf 0,4 % zunehmen, so dass sich die Unterauslastung der gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten allmählich verringert und die deutsche Wirtschaft in eine Erholungsphase eintritt.

Insgesamt wird das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2025 um 0,3% und im Jahr 2026 um 1,5% steigen. Gegenüber der Prognose vom Frühjahr 2025 wurden die Wachstumsraten damit um 0,1 bzw. 0,7 Prozentpunkte angehoben. Die Revision ergibt sich hauptsächlich auf den zusätzlichen fiskalischen Impulsen, die das reale BIP im Jahr 2026 um rund 25 Mrd. Euro anheben.

Preisentwicklung

Die Prognose für die Kerninflation (Anstieg der Verbraucherpreise ohne Energie) wurde gegenüber dem Frühjahr leicht angehoben auf 2,6% (+0,1 Prozentpunkte) im Jahr 2025 und auf 2,3% (+0,2 Prozentpunkte) im Jahr 2026. Dennoch wurde die Prognose für die Inflationsrate insgesamt für 2025 um 0,2 Prozentpunkte auf 2,1% gesenkt, vor allem aufgrund gesunkener Energiepreise sowie der Senkung von Stromsteuer und Netzentgelten. 

Diese Maßnahmen senken die Verbraucherpreise um jeweils 0,15 Prozentpunkte in den Jahren 2025 und 2026. Die Inflation dürfte 2026 unverändert bei 2,0% liegen.

Finanzpolitik

Trotz zusätzlicher Impulse bleibt die Finanzpolitik im Jahr 2025 leicht restriktiv – hauptsächlich durch den Wegfall von Inflationsausgleichsprämien und höhere Sozialversicherungsbeiträge. Das gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit sinkt von 2,7% des BIP im Jahr 2024 auf 2,3 % im laufenden Jahr. Im Jahr 2026 dürfte es aufgrund expansiver Maßnahmen auf 3,4% steigen. Der Bruttoschuldenstand nimmt entsprechend von 62,5% auf 64% des BIP zu.

Euroraum und Weltwirtschaft

Im Euroraum zeigte sich die Konjunktur zu Jahresbeginn leicht aufwärtsgerichtet, getragen vor allem von vorgezogenen Exporten in die USA. Die Konsumnachfrage blieb verhalten, trotz günstiger Rahmenbedingungen mit niedriger Inflation, steigenden Realeinkommen und niedriger Arbeitslosigkeit. 

Die Europäische Zentralbank senkte ihre Leitzinsen deutlich. Die Androhung hoher US-Zölle auf EU-Waren erhöht die wirtschaftliche Unsicherheit und dürfte Investitionen bremsen. Insgesamt wird die gesamtwirtschaftliche Produktion in den Jahren 2024 und 2025 wohl nur moderat um jeweils 1% wachsen.

Die US-Handelspolitik erlebte im Frühjahr starke Schwankungen. Nach Einführung von Zöllen von bis zu 145% im Konflikt mit China folgten zeitweise Aussetzungen und teilweisen Reduktionen. Die US-Wirtschaft zeigte sich bislang robust, doch die Konsumausgaben verlangsamten sich Anfang 2025. Trotz steigender Realeinkommen stieg die Sparquote merklich. Die Produktion sank leicht, was vor allem auf einen starken Importanstieg zurückzuführen ist.

Die Inflation dürften durch die Zölle kurzfristig zunehmen, aber als Folge der gesunkenen Rohölpreise und einer schwächeren Konjunktur im weiteren Verlauf wieder nachlassen.

Dementsprechend dürfte die US-Notenbank ihre Zinsen ab dem Jahresende 2025 weiter senken. Alles in allem dürfte sich die Konjunktur in den USA im Prognosezeitraum merklich abschwächen, die Wirtschaft aber nicht in eine Rezession fallen Für das Jahr 2024 wird mit einem Wirtschaftswachstum von etwa 1,4% gerechnet, für das Jahr 2025 mit rund 1,7%.

In China führte der Handelskonflikt mit den USA zu hohen Zöllen, die aktuell aber wieder reduziert wurden. Chinas Expansionsdynamik dürfte sich im Sommerhalbjahr etwas abschwächen, vor allem wegen eines starken Lageraufbaus zu Jahresbeginn und schwacher Konsumnachfrage. Das Wirtschafswachstum dürfte sich von 4,2% in diesem Jahr auf 3,9% im kommenden Jahr verlangsamen.

Die Weltkonjunktur wird sich als Folge des Handelskonflikts verlangsamen und die globale Wirtschaftsleistung in den Jahren 2024 und 2025 nur noch um etwa 2,0 bzw. 2,1% wachsen. Insbesondere der Welthandel zeigt Spuren und wird im kommenden Jahr sogar um 0,3% schrumpfen.

 

Quelle: ifo Institut

Veröffentlichungsdatum: 16. Juni 2025