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Copa-Cogeca: Mercosur-Handelsabkommen - ein veraltetes Abkommen, jenseits der „Vom Hof auf den Tisch"-Ambitionen

Stellungnahme von Copa-Präsidentin Christiane Lambert und Cogeca-Präsident Ramon Armengol: Mercosur ist schon lange Thema, und wir sind wieder einmal dabei. Angesichts der Tatsache, dass der Rat jetzt unter spanischem Vorsitz tagt, der sich voll und ganz dafür einsetzt, dass dieses Abkommen zustande kommt, und angesichts des bevorstehenden Gipfeltreffens zwischen der EU und Lateinamerika ist das der perfekte Zeitpunkt, um erneut auf unsere Bedenken hinzuweisen, die wir seit langem gegen dieses Abkommen hegen.

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Seit die EU und die Mercosur-Staaten (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) am 28. Juni 2019 eine politische Einigung über ein umfassendes Handelsabkommen erzielt haben, hat sich in der EU und weltweit viel verändert und das ist sogar noch eine Untertreibung. Diese Grundsatzvereinbarung, die 2019 unter dem Präsidenten der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker geschlossen wurde, berücksichtigt nicht die Änderungen und Initiativen, die sich aus dem Grünen Deal ergeben haben - dem Aushängeschild der Kommission unter Präsidentin von der Leyen. Sie berücksichtigt auch nicht die sich verändernde Realität, in der unsere Landwirtinnen und Landwirte heute mit den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und des Krieges in der Ukraine zu kämpfen haben. Der zu ehrgeizige Ansatz der Kommission macht es nicht nur uns europäischen Landwirtinnen und Landwirten schwer, sondern lässt unsere Bestrebungen auch in den Augen unserer Handelspartnerinnen und Handelspartner unrealistisch erscheinen.

Seit Anfang des Jahres und der Wahl von Präsident Lula in Brasilien hören wir immer wieder vom perfekten Zeitpunkt für die Ratifizierung dieses Abkommens. Doch die Fakten zeigen etwas anderes: Erst vor wenigen Wochen hat Präsident Lula deutlich gemacht, dass er die hohen Umweltanforderungen, die die EU parallel zum Mercosur-Abkommen durchsetzen will, nicht unterstützen will - oder kann.

Es scheint, dass die Kommission aus geopolitischen Gründen und im Interessen einiger Industriezweige bereit ist, die Auswirkungen auf den Agrarsektor und die negative Außenwirkung zu zu ignorieren, da wir uns auf die nächsten Europawahlen vorbereiten.

Seit der politischen Einigung 2019 haben wir in der EU eine beschleunigte Umsetzung des Europäischen Grünen Deals gesehen. Dutzende von Gesetzesinitiativen, die sich auf die Landwirtschaft auswirken, werden derzeit in Brüssel in rasantem Tempo bearbeitet. In ein paar Jahren werden sie sich dann auf unsere landwirtschaftlichen Betriebe und Genossenschaften auswirken. Selbst mit den ambitionierten zusätzlichen Nachhaltigkeitsinstrumenten, die höchstwahrscheinlich nicht einmal streng durchgesetzt werden müssen, ist es klar, dass die EU von den Mercosur-Ländern nicht die gleichen Produktionsstandards verlangen kann, die sie ihren eigenen Landwirtinnen und Landwirten auferlegen will. Die Unterschiede in den landwirtschaftlichen Gegebenheiten zwischen der EU und den Mercosur-Ländern sind schon allein aufgrund der Größenordnung immens. Das Gleiche gilt für die Produktionsstandards auf den Höfen.

Beabsichtigt die Kommission, das Naturwiederherstellungsgesetz auch auf landwirtschaftliche Betriebe in den Mercosur-Ländern auszuweiten? Glaubt die Kommission, dass das angestrebte Ziel, 50 % des Pestizideinsatzes einzusparen, anderswo erreicht werden kann?

Glaubt die Kommission, dass die in der EU geltenden Tierwohlnormen in den Mercosur-Ländern wirklich durchgesetzt und überwacht werden können?

Die Kluft zwischen den Klima- und Nachhaltigkeitszielen der EU im Bereich der Landwirtschaft und dem, was sie bei Handelsabkommen zu ignorieren bereit ist, wird immer größer.

Wir bei Copa und Cogeca unterstützen den internationalen Handel, sofern er fair, ausgewogen und transparent ist. Wir können jedoch unter keinen Umständen hinnehmen, dass die europäischen Standards gelockert werden oder dass europäische Landwirtinnen und Landwirte auf dem Markt für die Einhaltung dieser Standards bestraft werden.

Trotz des gewährten Zugangs für Erzeugnisse aus der EU wie Wein, Milch, Olivenöl, einige Obstsorten, Gemüse und Produkte mit geografischer Angabe ist das Mercosur-Abkommen in Sachen Landwirtschaft unausgewogen, insbesondere im Hinblick auf die ohnehin anfälligen Agrarsektoren wie Rind- und Geflügelfleisch, Reis, Orangensaft, Zucker und Ethanol.

Außerdem werden dadurch die Bedenken hinsichtlich der kumulativen und schwer zu ermittelnden Auswirkungen aller von der EU bereits unterzeichneten Abkommen verstärkt, und dies gilt umso mehr, wenn man die in Planung befindlichen Abkommen berücksichtigt.

Wie bereits in der vorangegangenen Stellungnahme zu diesem Thema bemängelt, wird sich mit der weiteren Umsetzung des Grünen Deals die Kluft zwischen den für die Landwirtinnen und Landwirte in der EU und im Mercosur geltenden Standards nur noch vergrößern. Diese zunehmende Kluft ist für die europäischen Erzeugerinnen und Erzeuger unzumutbar. Das Problem wird durch das Mercosur-Abkommen nur weiter verschärft, da dieses Abkommen viele Jahre vor dem Auftakt der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ und dem Krieg in der Ukraine konzipiert wurde. Das war damals unzumutbar und ist es heute um so mehr.

Als Vorsitzende von Copa und Cogeca werden wir dieses Abkommen weiterhin anfechten, und wir fordern die Kommission auf, sich mit diesen grundlegenden Fragen zu befassen und nicht noch Salz in die offene Wunde zu streuen.

Quelle: Copa und Cogeca

Veröffentlichungsdatum: 19. Juli 2023