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Gentechnik: "EU-Kommission tritt Umwelt- und Verbraucherschutz mit Füßen!"

Konsequente Gentechnik-Regulierung ist Voraussetzung für zukunftsfähige Land- und Lebensmittelwirtschaft in Europa. BÖLW kommentiert den offiziellen Gesetzentwurf (Legislativvorschlag) der EU-Kommission zur künftigen Regulierung gentechnisch manipulierter Pflanzen.

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“Die EU-Kommission lässt sich von der Gentechnik-Lobby den Kurs diktieren und ignoriert damit die Wünsche der Verbraucherinnen und Verbraucher ebenso wie die Bedürfnisse von Züchtung, Bauernhöfen und Unternehmen in Verarbeitung und Handel. Die willkürliche Abschaffung jeglicher Risikoprüfung für die meisten gentechnisch veränderten Pflanzen widerspricht der Wissenschaft und dem Vorsorgeprinzip als zentralem Eckpfeiler des europäischen Umwelt- und Verbraucherschutzrechts.

Gentechnik widerspricht den Grundprinzipien von Bio. Die Kommission hat die klare Position der Bio-Bewegung erkannt, auch künftig bleibt Gentechnik in der ökologischen Produktion ausgeschlossen. Weil die Kommission aber die Pflicht zur durchgängigen Kennzeichnung gentechnisch manipulierter Pflanzen und Produkte von der Züchtung bis zum Endprodukt abschaffen will, bürdet sie die hohen Kosten für die Verhinderung von Gentechnik-Verunreinigungen vollständig der ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft auf. Damit wird das Verursacherprinzip auf den Kopf gestellt. Auch die bewährten Haftungsregeln für Schäden durch Gentechnik-Pflanzen in Deutschland stehen durch den Vorschlag der EU-Kommission in Frage. Es soll auch keine EU-weit gültigen Vorgaben für Schutzmaßnahmen der Gentechnik-Anwender gegen derartige Kontaminationen geben, diese Verantwortung wird komplett auf die EU-Mitgliedstaaten abgeschoben. Gleichzeitig wird mit dem Gesetzentwurf deren Souveränität untergraben: Deutschland oder auch die Bundesländer sollen die Freisetzung neuer Gentechnik-Organismen nicht mehr unterbinden dürfen.“

Tina Andres weiter:

„Neue Gentechnik ist vor allem das Werkzeug zur Patentierung von Pflanzen und damit zur Schaffung neuer Abhängigkeiten der gesamten Lebensmittelwirtschaft von den Gentechnik-Konzernen. Diese Problematik wird trotz klarer Warnungen aller relevanten Verbände von der EU-Kommission ignoriert. Für die Bewältigung von Klimakrise und Artensterben brauchen wir eine grundlegende Transformation von Lebensmittelproduktion und Ernährung, keine unerfüllbaren Technologie-Heilsversprechen. Leitbild dafür ist Bio. Nachdem die EU-Kommission sich heute endgültig als willfähriger Erfüllungsgehilfe der Gentechnik-Lobby geoutet hat, sind jetzt die Mitglieder des Europaparlaments und die Bundesregierung gefordert, ihrer vom Bundesverfassungsgericht betonten „besonderen Verantwortung“ bei der Gentechnik-Regulierung gegenüber den Verbraucherinnen und Verbrauchern und unserer Umwelt gerecht zu werden. Die Menschen wollen selbst entscheiden, was sie essen! Jetzt wird sich zeigen, wer sich wirklich für die Interessen und die Wahlfreiheit der Bürgerinnen und Bürger einsetzt oder wer stattdessen die Gentechnik-Konzerne und ihre Patent-Pläne protegiert.“

Hintergrund

Inhalt des Gesetzentwurfs sind Regelungen für die Anwendung neuer Gentechnikverfahren wie z. B. CRISPR-Cas. Mit diesen Verfahren sind tiefe Eingriffe in das Genom von Lebewesen möglich, auch weil diese Techniken mehrfach und gleichzeitig an vielen verschiedenen Genen angewendet werden können.   

Der Vorschlag sieht eine Verordnung vor, also einen Rechtsakt, den alle EU-Länder in vollem Umfang umsetzen müssen. Die bisherige Rechtsgrundlage für die Gesetzgebung zu gentechnisch veränderten Organismen (GVO) ist die Richtlinie 2001/18/EG („Freisetzungsrichtlinie“), die von den Mitgliedstaaten der EU in nationale Gesetze übertragen werden musste (in Deutschland das Gentechnikgesetz, GenTG).

Das Europäische Parlament und der Rat der Regierungen aller EU-Mitgliedstaaten können zu dem von der Kommission heute vorgelegten Entwurf (in der EU-Terminologie „Legislativvorschlag“) Änderungsvorschläge formulieren und mit der Kommission in Dreieckverhandlungen („Trilog“) einen finalen Gesetzentwurf entwickeln, der abschließend vom EU-Parlament beschlossen oder abgelehnt wird.

Weitere Informationen.

Quelle: BÖLW

Veröffentlichungsdatum: 07. Juli 2023