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Wie viele Studien über die Auswirkungen der Strategie "Vom Hof auf den Tisch" brauchen wir noch, bevor in Brüssel eine echte Debatte beginnt?

Anfang dieser Woche wurde von der Universität Kiel eine neue Studie über die möglichen Folgen der Umsetzung der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ (F2F) veröffentlicht. Ein weiterer Bericht, der bestätigt, welche massiven Auswirkungen die  Vorzeigestrategie  der  Kommission  auf  unsere  EU-Lebensmittelproduktion, unsere landwirtschaftlichen Betriebe und den Zusammenhalt unserer ländlichen Gebiete haben könnte.

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Die neue Studie bestätigt die Ergebnisse des Forschungsberichts der GFS, der mitten im Sommer auf sehr diskrete Weise veröffentlicht wurde, und unterstreicht das Problem der massiven Verlagerung von CO2-Emissionen, das  durch  den  zielorientierten  Ansatz  der  F2F-Strategie  entstehen  könnte.  Dies veranlasst  die  Autoren  der  Studie  zu  der  Aussage,  dass  die  F2F-Strategie  nicht wirksam gegen den Klimawandel ist!

Mehr als ein Jahr, nachdem die Kommission ihre F2F-Strategie auf den Weg gebracht hat, steht eine offizielle Studie noch immer  aus, was  verschiedene Universitäten und Interessengruppen dazu  veranlasst,  eine  Bewertung  der  möglichen  Auswirkungen  durchzuführen. In  den  letzten Wochen häufen  sich Studien, die  zu  ähnlichen Ergebnissen  kommen, welche nicht nur in der Landwirtschaft Anlass zur Sorge geben sollten.

Was die Produktion betrifft, geht dieser neue Bericht wie alle anderen Studien davon aus, dass die F2F-Strategie zu einem erheblichen Rückgang der Produktion führen würde. Nach Ansicht der Autoren würde dieser EU-weite Produktionsrückgang für Rindfleisch 20 %, für Milch 6,3 %, für Getreide 21,4 % und für Ölsaaten 20 % betragen. Wie  alle  vorherigen Studien  rechnen die Autoren  mit  erheblichen  Preissteigerungen.  Der  größte  Preisanstieg  wäre  mit  58 %  bei  Rindfleisch zu verzeichnen, gefolgt von einem Anstieg um 48 % bei Schweinefleisch und von ca. 36 % bei Rohmilch. In der pflanzlichen Erzeugung würde der Preisanstieg bei 15 % für Obst und Gemüse, bei 18 % für Ölsaaten und bei 12,5 % für Getreide liegen. In Handelsfragen ist das Ergebnis  der  Christian-Albrechts-Universität  ebenfalls  glasklar:  Sollten  alle  Maßnahmen  der  F2FStrategie gleichzeitig umgesetzt werden, würde dies bei Getreide und Rindfleisch eine Verschiebung der Nettoexportstellung der EU in eine Nettoimportstellung bewirken.

Wie die GFS-Studie prognostiziert dieser neue Bericht eine Senkung der Treibhausgasemissionen um  eine Größenordnung  von 29 % des Erderwärmungspotenzials  der EU-Landwirtschaft. Dennoch sind die Autoren der Ansicht, dass diese Strategie unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes nicht wirksam sein wird. Die Autoren gehen davon aus, dass zum einen die Strategie zu einer Verringerung der CO2-Speicherung im LULUCF-Sektor der EU um 50 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent und zum anderen die Verlagerung unserer Produktion in Drittländer zu zusätzlichen THG-Emissionen in Höhe von 54,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent führen würde. Diese beiden Auswirkungen  zusammengenommen würden die  erhoffte Wirkung der EU-Strategie auf die effektive Senkung der landwirtschaftlichen Emissionen zunichtemachen.

Das Fazit der Forscher sollte ein Weckruf für die europäischen Entscheidungsträger sein: „[Die] F2F-Strategie  stellt  noch  keine  konsistente  agrarpolitische  Strategie  dar:  Die  in  der  F2FStrategie formulierten produktionstechnischen Restriktionen bilden noch keinen konsistenten agrarpolitischen Rahmen für eine effektive und effiziente Umsetzung der Green Deal-Ziele.“

Wie die vorangegangenen Studien hat auch diese Studie ihre Grenzen, da die Auswirkungen der F2F-Strategie  zahlreich  sein  werden  und  sich  nur  schwer  mit  einem  einzigen  Modellierungsinstrument erfassen lassen. Aber es stellt sich die Frage: Warum wurden diese Modelle nicht vor der  Ankündigung  quantifizierter  Zielvorgaben  entwickelt?  Warum  hat  die  Kommission  noch keine Folgenabschätzung  dieser  Strategie  durchgeführt,  die  es  uns  erlauben  würde, Lösungen auf einer konkreten Grundlage zu diskutieren? Warum bereitet sich das Europäische Parlament auf eine Plenarabstimmung über noch strengere Maßnahmen vor, ohne jemals die zusätzlichen Auswirkungen gemessen zu haben?

Als Reaktion auf die neue Studie erklärte Christiane Lambert, Präsidentin von COPA: „Die EUAgrargemeinschaft ist entschlossen, die notwendigen Umstellungen vorzunehmen, und überall gibt es immer zahlreichere Initiativen auf lokaler und internationaler Ebene. Allerdings stehen wir aktuell vor einem echten Problem hinsichtlich der Art und Weise, wie die F2F-Strategie in Brüssel in die Wege geleitet wird. Die Europäische Kommission und das Europäische Parlament können diese Veröffentlichungen und die damit verbundenen  sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Folgen nicht ignorieren. Wir können eine kontraproduktive Zielorientierung der  F2F-Strategie  nicht  hinnehmen. Wir  waren  sprachlos  darüber,  dass  diese Woche  in  der Rede  zur Lage  der Union  die Landwirtschaft  nicht  einmal  erwähnt  wurde. Die Kommission muss einen echten Dialog mit den Landwirten aufnehmen und an konkreten Lösungen arbeiten, wenn wir gemeinsam Antworten auf die grundlegenden Fragen der Verlagerung von CO2- Emissionen,  der  Ernährungssouveränität  und  der  gerechten  Verteilung  der  Anstrengungen finden wollen. “

1 https://grain-club.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/Farm_to_fork_Studie_Executive_Summary_EN.pdf (Zusammenfassung auf Englisch)
https://bit.ly/3hgdDJJ (Vollständige Studie auf Deutsch)

Quelle: Copa / Cogeca
 

Veröffentlichungsdatum: 21. September 2021