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ProVeg fordert Verlässlichkeit für Hersteller und Verbraucher

Bezeichnungen alternativer Proteine: EU-Votum gefährdet Branchenvertrauen und Kaufklarheit in Deutschland

12. September 2025

Der Agrarausschuss des Europäischen Parlaments hat gestern einem Änderungsantrag zugestimmt, der eine gezielte Überarbeitung der Bezeichnungen von Lebensmitteln mit Fleischbezug in der Gemeinsamen Marktorganisation fordert.1

 Sollte der Antrag auch im Plenum des Europäischen Parlaments eine Mehrheit finden, so wären bereits etablierte Bezeichnungen pflanzenbasierter Produkte künftig untersagt. 

Die Ernährungsorganisation ProVeg befürchtet, dies könnte den dynamischen Markt pflanzlicher Alternativprodukte in seinem Wachstum ausbremsen. Sie fordert die Mitglieder des EU-Parlaments auf, den eingeschlagenen Kurs für Lebensmittelwirtschaft und Verbraucher zu korrigieren.

Alternative Proteine bergen entscheidende Chancen, gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten. Deshalb hat die deutsche Regierungskoalition sich zum Ziel gesetzt, alternative Proteinquellen aktiv zu fördern.2 

Auch der Wissenschaftliche Beirat der Europäischen Akademien hat die EU-Politik kürzlich aufgefordert, den Rechtsrahmen an den wissenschaftlichen Fortschritt anzupassen, um international den Anschluss nicht zu verlieren.3 

ProVeg sieht den gleichberechtigten Marktzugang aller bestehenden und künftigen Proteinquellen hierfür als entscheidende Voraussetzung: „Sollen Unternehmen und Verbraucher von den attraktiven neuen Möglichkeiten des Zukunftssektors profitieren, dann braucht es jetzt ein greifbares Bekenntnis der Politik“, erklärt Dr. Nina Wolff, Politik-Expertin bei ProVeg in Deutschland.

Vorstoß gegen deutsche Interessen

Ziel des gestrigen Vorstoßes ist es, bereits gängige Bezeichnungen pflanzenbasierter Produkte in Anlehnung an tierische Zutaten und Gerichte zu verbieten. 

Marktübliche Begriffe wie „Steak“, „Wurst“, „Hamburger“ oder „Schnitzel“, die Verbrauchern Orientierung bieten, wären dann für pflanzliche und kultivierte Alternativprodukte untersagt. 

Die französische Abgeordnete Céline Imart (EVP), die den Antrag gestellt hat, möchte damit die Position der Landwirte in der Lebensmittelversorgungskette stärken, nimmt hierfür aber wirtschaftliche Risiken für den Sektor der alternativen Proteine in Kauf.4

Dies hätte Auswirkungen auf die in Deutschland ansässigen Hersteller alternativer Proteine bis hin zum Lebensmitteleinzelhandel. 

Deutschland ist der mit Abstand größte Markt für pflanzliche Alternativprodukte in Europa.5 Das Beratungsinstitut Systemiq prognostiziert, dass der Sektor innerhalb von 20 Jahren bis zu 65 Milliarden Euro zur deutschen Wirtschaftsleistung beitragen und bis zu 250.000 neue Arbeitsplätze schaffen kann, darunter 70.000 im Maschinenbau und 40.000 in der Landwirtschaft.6 

Teile des deutschen Lebensmitteleinzelhandels treiben bereits den Ausbau der Proteinvielfalt in ihren Sortimenten voran und streben konkrete Zielsetzungen an, die auf ganz Europa ausstrahlen sollen.7 8 9 10

Der deutsche Weg – ein Beispiel für Europa?

„Die bestehende deutsche Praxis zur Bezeichnung alternativer Proteine, verankert im etablierten Handelsbrauch und in den Leitsätzen der Deutschen Lebensmittelbuchkommission, bietet Unternehmen Sicherheit für Planung und Investitionen. Diese Stabilität trägt maßgeblich dazu bei, dass Deutschland den pflanzenbasierten Markt in Europa anführt“, betont Wolff. „Ihren Wettbewerbsvorteil sollten Deutschland und Europa nicht aufs Spiel setzen.“

Auch der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz, der die Bundesregierung berät, empfiehlt in seinem Gutachten zu Alternativprodukten, die ökonomischen und ökologischen Potenziale der Alternativen zu nutzen und für einen fairen Wettbewerb verständliche Bezeichnungen im Sinne der Verbraucher zu ermöglichen. 

Die Rolle Deutschlands als Impulsgeber in diesem dynamischen Innovationsfeld sei durch gezielte Maßnahmen auszubauen. Neue Beschränkungen transparenter Produktbezeichnungen auf EU-Ebene würden diesen Zielen zuwiderlaufen.

ProVeg blickt daher besorgt auf das Abstimmungsergebnis, das die bewährte Praxis, die für Verlässlichkeit sorgt, gefährdet. Die Ernährungsorganisation fordert die Abgeordneten auf, die Weichen für ein stabiles Wachstum des innovativen pflanzenbasierten Markts in ganz Europa zu stellen.

Quellen:

1 Vgl. Europäisches Parlament (2025): Strengthening of the position of farmers in the food supply chain – Proposal for a regulation, Céline Imart, Amendment 25-685. Weitere Informationen Online

2 CDU, CSU, SPD (2025): Verantwortung für Deutschland. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD. 21. Legislaturperiode, veröffentlicht am 09.04.2025. Weitere Informationen Online

3 Vgl. EASAC (2025): Meat Alternatives, Policy Report 49, veröffentlicht im September 2025. Weitere Informationen Online

4 Europäische Kommission (2024): Vorschlag für eine VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1308/2013, (EU) 2021/2115 und (EU) 2021/2116 hinsichtlich der Stärkung der Position der Landwirtinnen und Landwirte in der Lebensmittelversorgungskette. Weitere Informationen Online

5 GFI Europe (2025): Entwicklung des Marktes für pflanzenbasierte Lebensmittel im deutschen Einzelhandel, veröffentlicht im Juni 2025. Weitere Informationen Online.

6 Systemiq (2025): A Taste of Tomorrow – Wie sich die deutsche Wirtschaft durch Proteindiversifizierung voranbringen lässt, veröffentlicht im Februar 2025. Weitere Informationen Online

7 Vgl. Lidl in Deutschland (o. D.): Proteinstrategie. Weitere Informationen Online

8 Vgl. REWE Group (2025): Proteinstrategie der REWE Group, veröffentlicht im Juni 2025. Weitere Informationen Online

9 Vgl. Aldi Süd (2024): Unsere Ziele – #Ernährungswechsel, veröffentlicht im September 2024. Weitere Informationen Online  

10 Vgl. Kaufland (o. D.): Vegetarisch und vegan. Weitere Informationen Online.

 

Quelle: ProVeg Deutschland

Veröffentlichungsdatum: 12.09.2025

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