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Österreich: Staatliche Eingriffe in LEH gefährden regionalen Bezug qualitativer Lebensmittel

06. August 2025

Der Handelsverband spricht sich vehement gegen die von Finanzminister Markus Marterbauer ins Spiel gebrachten staatlichen Eingriffe in die Preisgestaltung des österreichischen Lebensmittelhandels aus, berichtet das Agrarische Informationszentrum (AIZ).

Das Finanzministerium muss bei der aktuellen Diskussion Ursache und Wirkung unterscheiden. Ursache sind ganz klar die massiv gestiegenen Energiekosten, hohe Rohstoff- und Erzeugerpreise sowie deutlich gestiegene Personal-, Finanzierungs- und Logistikpreise.

Österreich ist leider das Land der Indexierungen, wie man bei gewerblichen Mietpreiserhöhungen, bei allen Gebühren und Abgaben sieht, bei denen auch der Finanzminister kräftig erhöht hat, statt zu entlasten. Hinzu kommt: Die energieintensive Industrie in Österreich bekommt für 2025 und 2026 wieder einen Strompreisbonus, der Handel nicht.

„Staatliche Eingriffe in die Preispolitik des Lebensmittelhandels gefährden den regionalen Bezug von hochqualitativen Nahrungsmitteln für die österreichische Bevölkerung sowie 140.000 gut bezahlte Jobs. Mit der Nahversorgung sollte politisch nicht achtlos umgegangen werden“, sagt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will in einer ersten Stellungnahme.

BWB-Bericht bestätigt: Handel ist nicht Verursacher, sondern selbst Betroffener der Teuerung

Im November 2023 hat die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) ihren Endbericht zur Branchenuntersuchung der gesamten österreichischen Lebensmittelwertschöpfungskette präsentiert. Dieser Bericht hat u.a. klar belegt, dass der Wettbewerb im heimischen Lebensmittelhandel funktioniert und die österreichischen Händler keine Verursacher, sondern selbst Betroffene der Teuerungskrise sind.

Der starke heimische Wettbewerb, der häufig über den Preis geführt wird, gewährleistet Konsument:innen bestmögliche Preise und unterstützt insbesondere Einkommensschwache.

Die BWB hat in ihrem Bericht klar belegt, dass der LEH seine Gewinnmargen im Zeitraum von 2021 bis zum 2. Halbjahr 2023 nicht systematisch erhöht und somit nicht von der Teuerung profitiert hat. Die Teuerung bei Nahrungsmitteln und alkoholfreien Getränken lag in Österreich im Gesamtjahr 2024 mit +2,6% deutlich unter der allgemeinen Inflation von +2,9%, der LEH hat also inflationsdämpfend agiert!

Rentabilität im heimischen Lebensmittelhandel bei nur 0,5 bis 2,5%

Fakt ist: Der heimische Lebensmittelhandel nimmt sinkende bzw. stagnierende Umsätze (-3,2% inflationsbereinigt in 2022, -1,0% in 2023, +1,7% in 2024) bei einer sehr geringen tatsächlichen Rentabilität von durchschnittlich 0,5% bis 2,5% des Umsatzes hin. Zum Vergleich: Bei globalen Nahrungsmittelproduzenten ist die Rentabilität oft zehnmal so hoch.

Der österreichische Lebensmittelhandel hat auch in Zeiten der Rekordinflation auf eine systematische Erhöhung von Gewinnmargen und Handelsspannen verzichtet – ganz im Gegensatz zu einigen internationalen Herstellern, die man klar von den wertvollen österreichischen Produzenten unterscheiden muss, mit denen wir die Versorgung der Bevölkerung gemeinsam sichern.

Auch in puncto Transparenz agiert der heimische Lebensmittelhandel vorbildlich. Alle Lebensmittelhändler mit mindestens 100 Filialen in Österreich übermitteln wöchentliche bzw. monatliche Einkaufspreise zentral für ihre Filialen an die Agrarmarkt Austria. Der Bericht zur Preistransparenz im Lebensmitteleinzelhandel wird auch monatlich von der Agrarmarkt Austria (AMA) veröffentlicht.

Hohe Personalkosten: Österreich im EU-Vergleich bereits auf Platz 2

Die durchschnittlichen Personalkosten pro beschäftigter Person liegen im Lebensmitteleinzelhandel in Österreich laut Eurostat bei 38.050 Euro pro Kopf. Das bedeutet im EU-Vergleich Platz 2. Nur in Belgien sind sie noch höher.

„Im Lebensmitteleinzelhandel liegen die durchschnittlichen Personalkosten pro Kopf um 31% höher als in Deutschland und um 59% über dem EU-Schnitt. In fast allen Ländern der Europäischen Union und zwar in exakt 25 EU-Staaten sind die Personalkosten im Lebensmittelhandel niedriger als in Österreich“, so Will.

Inflation an der Wurzel bekämpfen, nicht am Ende der Wertschöpfungskette

Die Preisbildung bei Nahrungsmitteln beginnt nicht im Handel, sondern bereits in den vorgelagerten Stufen der Wertschöpfungskette – in der Landwirtschaft, der Verarbeitung und auf den internationalen Rohstoffmärkten. In all diesen Bereichen gibt es zurzeit exorbitante Kostensteigerungen.

Hier einige Beispiele: Kalbfleisch ist aktuell in der landwirtschaftlichen Erzeugung um 18% pro kg teurer als vor 1 Jahr, Kuhmilch um +15%, Roggen um +15% und Mais um +18%. Der Lebensmittelhandel hat auf diese Erzeugungskosten keinerlei Einfluss, muss die massiven Kostensteigerungen allerdings in seine Kalkulation entsprechend einpreisen.

Territoriale Lieferbeschränkungen endlich EU-weit verbieten

Territoriale Lieferbeschränkungen (sogenannte Territorial Supply Constraints, kurz TSCs) sind von bestimmten großen Herstellern auferlegte Beschränkungen, die es Einzelhändlern sehr schwer oder unmöglich machen, Produkte in einem Mitgliedsstaat zu kaufen und in einem anderen weiterzuverkaufen. Sie erlauben es internationalen Produzenten bislang, Produkte in unterschiedlichen Märkten zu unterschiedlichen Preisen anzubieten.

Diese länderspezifischen Vertriebsstrategien – gerade im Lebensmittelbereich – treffen den Handel in kleinen Ländern wie Österreich oder Belgien mit voller Wucht. Die BWB bezeichnet diese Form der Diskriminierung von Händlern zurecht als "Österreich-Preisaufschlag" der globalen Nahrungsmittelindustrie. Dieser wird von Unwissenden oftmals dem Lebensmitteleinzelhandel angelastet, was sich als gänzlich falsch erwiesen hat.

„Produzenten dürfen europaweit beschaffen, Konsument:innen können auch überall einkaufen, nur dem Lebensmittelhandel werden in der EU künstlich Barrieren vorgeschoben und höhere Beschaffungspreise verrechnet. Hier sollte der Finanzminister ansetzen und sich auf EU-Ebene für ein sofortiges Verbot einsetzen. Wenn er diese Benachteiligung der heimischen Händler aufheben würde, käme das auch den Kund:innen zu Gute, da sich der Handel nie ein Körberlgeld verdient hat. Dadurch könnten die europäischen Konsumenten pro Jahr rund 19 Milliarden Euro einsparen“, erklärt Handelssprecher Rainer Will.

Regionale Nahversorgung sicherstellen, ungarische Verhältnisse vermeiden

Der österreichische Lebensmittelhandel sichert mit 9.400 Verkaufsstandorten die wohnortnahe Versorgung der rund neun Millionen Menschen, die in Österreich leben – von den Ballungszentren bis ins letzte Alpental. Außerdem stützt er mit über 140.000 Arbeitsplätzen und mit 31,5 Milliarden Euro Umsatz den Wirtschaftsstandort.

Die österreichischen Umwelt- und Tierschutzstandards sind so hoch wie in kaum einem anderen Land der Erde. Daher setzt der heimische Lebensmittelhandel in vielen Bereichen auf österreichische Produkte – häufig zertifiziert mit dem AMA-Gütesiegel. In unseren Regalen findet sich eine Vielzahl an regional und lokal produzierten Qualitätsprodukten aus biologischem Anbau. Der Handel trägt damit entscheidend zum Erhalt landwirtschaftlicher Strukturen und Produzenten in Österreich bei.

„Reformanstrengungen sind der richtige Weg, um die versteinerten Strukturen des gefräßigen Staates aufzubrechen. Österreich muss die Kosten senken und die Bevölkerung entlasten, hier warten wir auf große Würfe. Das ungarische Modell einer Handelsspannen-Obergrenze bei Grundnahrungsmitteln ist nicht die Lösung, sondern vielmehr Teil des Problems. Derartige Eingriffe bedeuten nur, dass die Kunden weniger Auswahl und geringere Qualität vorfinden – ungarische Verhältnisse sollten wir im Sinne unserer Bevölkerung vermeiden“, so Rainer Will abschließend. 


Quelle: AIZ.info

Veröffentlichungsdatum: 06.08.2025

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